Deutsches Kunsthandwerk: die Kästen

Zwei Schalen zeigen als Gegenstücke auch für dieses Gerät den Übergang in die Renaissance. Statt des gedrungenen Fußes, welcher die Schale nur mäßig über die Tischfläche erhebt, haben sie einen schlank strebenden Schaft. Der oberste Teil desselben erinnert noch an die gotische Riffelung, auch auf der Fußplatte sind die gotischen Buckel noch erhalten, aber, wie erwähnt, in Äpfel und Birnen übersetzt, der Hauptteil des Schaftes ist bereits in reinem Akanthus gebildet. Die Schale selbst ist eine der zierlichsten uns erhaltenen Ausführungen im Stile der Nürnberger Kleinmeister um 1530, die Anordnung einer völlig ruhigen Fläche zwischen Rand und Mittelstück von ungewöhnlich reinem Geschmack. Die beiden Schalen sind in Lüneburg gefertigt, wie es scheint, im Auftrage der Stadt, da in der Mitte das städtische Wappen angebracht ist. An den beiden großen Löffeln, im Inventar als »Krautschaufeln « bezeichnet, in rein gotischen Formen, ist der Stiel abnehmbar und als zwei-zinkige Gabel gestaltet, sodass sie zum Aufgeben von Fleisch oder mit der Schaufel zum Aufnehmen von Gemüse, »Kraut«, benutzt werden konnten.

Die Kästen

Das Mittelalter hatte in dem Kasten zum Schutze der Reliquien die glänzende Aufgabe kirchlicher Kunst. Selbstverständlich wurde daneben auch für weltliche Zwecke, zur Aufbewahrung von Kleinodien, Kästen von künstlerischer Metallarbeit hergestellt. Im Münster zu Aachen befindet sich ein flacher Kasten, 12. Jahrhundert, mit Platten von Limoges, der ursprünglich weltlichen Zwecken gedient hat, im Louvre der Kasten des heiligen Ludwig, in Regensburg ein emaillierter Kasten, 15. Jahrhundert, ohne kirchlichen Charakter. Ziemlich häufig sind in den Kirchenschätzen orientalische Schmuckkästen, in Chur, Trier, Palermo. Aber ohne den Schutz der Kirche sind so gut wie alle weltlichen Arbeiten dieser Art zu Grunde gegangen. Die erhaltenen Elfenbein- und Holzkästen gotischer Zeit mögen uns eine Vorstellung davon geben, wie man die Kästen zu gestalten liebte. Wir finden statt des architektonischen, für die Wirkung in der Kirche berechneten Aufbaues vielmehr ein einfaches Rahmenwerk, in welches Bildtafeln mit weltlichen Darstellungen aus dem Ritter- und Liebesleben der Zeit eingespannt sind. Die uns erhaltenen Kasten italienischer Renaissance mit geschliffenen Kristallplatten entsprechen ebenfalls einer einfachen Geräteform ohne architektonische Belastung. Dasselbe gilt von der stattlichen Reihe deutscher Silberkästen, die uns aus der guten Zeit des 16. Jahrhunderts erhalten sind. Der Kasten des Museums ist Nürnberger Arbeit von Johann Straub, ganz in der Art des Wenzel Jamnitzer, und teilweise unter Benutzung seiner Modelle.

Silberner Kasten von Johann StraubSilberner Kasten von Johann Straub. Nürnberg
um 1570. 0,28 hoch

Der Kasten ist aus vergoldetem Silber, die Flächen sind zum Teil mit Lapislazuli und Perlmutter gefüllt, auf die Steinplatten aufgesetzt Figuren in Silber, die Planeten darstellend, und schmuck-artige Rosetten mit Edelsteinen. Das Profil des Kastens ist ohne architektonische Zutaten fein gegliedert, der Fuß kräftig eingezogen und von vier hockenden Greifen getragen, der Klappdeckel vorspringend und in der Mitte hoch geführt, mit einer flachen Schublade. Ein ganz verwandter, noch reicherer Kasten, zum Teil mit denselben Modellen, aber von Jamnitzer selbst gearbeitet, in der Schatzkammer zu München, hierzu in der Omamentstich-Sammlung des Kunstgewerbe-Museums die Originalzeichnung, welche nur in einigen Füllungen abweicht. Gleicher Herkunft die ähnlichen Kästen in Bebenhausen und im Grünen Gewölbe, dort auch verwandte Arbeiten von nahestehenden Meistern. Die mit Steinen besetzten Rosetten an dem Berliner Kasten sind vielleicht Schmuckstücke einer bestimmten Person und als besonders wertvolles und intimes Geschenk hier angebracht, wie der Ring auf dem Burgunder Hofbecher in Wien. Ein glänzendes Beispiel solcher Verwendung ist ein Kasten in der Eremitage zu St. Petersburg, ein Geschenk des polnischen Königs Sigismund I. an seine Schwester bei ihrer Vermählung mit dem Markgrafen Joachim von Brandenburg. An diesem Kasten sind über 150 Ringe und Teile von kostbarem Schmuck, zum Teil mit Schmelz und geschnittenen Steinen, in der Art angebracht, dass der ganze Kasten für diese Schmuckstücke komponiert ist, er ist 1533 in Krakau, augenscheinlich von einem Nürnberger Künstler, gefertigt, vielleicht von dem Bruder Albrecht Dürers, Hans Dürer, welcher als Goldschmied nach Krakau ging. Man findet unterschiedliche Figuren auf den Kästen

Die Kästen bekommen gelegentlich ein mehr monumentales Gepräge durch die Ausstattung des Deckels mit einer liegenden Figur oder wohl gar einer Gruppe von Figuren. Im Beginn des 17. Jahrhunderts wächst die Neigung zu monumentalem Aufbau, die Silberarbeit ist zwar noch die Hauptsache aber sie erfordert ein hölzernes architektonisches Gerüst. Die Kästen wachsen zu einem unbeweglichen Einrichtungsstück heran, werden mit Türen und Schubladen versehen und müssen Dienste eines Möbels erfüllen, sie sind in alten Verzeichnissen gewöhnlich als »Schreibtisch« bezeichnet, für diesen Zweck dient ein ausziehbares Brett oder eine Schublade. Das Gerüst wird nunmehr vom »Kistler« hergestellt, aus edlen Hölzern, vornehmlich Ebenholz. Der Hauptsitz der Arbeit seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ist Augsburg, welches ganz Europa mit diesen sehr begehrten Stücken versorgte. In Augsburg selbst ward der Schreibtisch, welchen der Patrizier Hainhofer für sich hatte anfertigen lassen, von vornehmen Fremden als Merkwürdigkeit aufgesucht und im Jahre 1630 als kostbarstes Stück von der Stadt als Geschenk für Gustav Adolf angekauft, jetzt in der Universität Upsala befindlich. In dem Aufbau und der Silberarbeit ist er dem Pommerschen Kunstschrank sehr ähnlich, übertrifft ihn aber noch durch Kostbarkeiten, die Hainhofer gesammelt und als Schmuckstücke in diesen Schrank eingefügt hatte: italienische Niellen des 15. Jahrhunderts, seltene Schaumünzen, Gemmen, Kameen und Naturalien; der ursprüngliche Inhalt an Kleingerät ist nur zum kleinen Teil erhalten. Hainhofer, der Vertrauensmann des Herzogs Philipp II. von Pommern für politische und Kunstangelegenheiten, erhielt Auftrag auf einen künstlichen Schreibtisch, der, zunächst in kleinerem Maßstab geplant, schließlich zu der monumentalen Form erwuchs, in der er sich bis heute ohne wesentliche Einbuße erhalten hat. Der Schrank wurde nach Stettin übergeben, nach dein Aussterben des pommerschen Hauses gelangte er in den Besitz des letzten Sprossen, des Herzogs Ernst Bogislav von Croy, Statthalters zu Königsberg, und wurde von diesem 1684 auf den großen Kurfürsten vererbt.

Der Pommersche Kunstschrank. Augsburg 1617. 1,29 hoch ohne Tisch
Der Pommersche Kunstschrank

Zugleich vererbt wurde ein Tisch der pommerschen Erbschaft, auf dem der Schrank in der Kunstkammer und später im Kunstgewerbe-Museum gestanden hat, der Tisch, jetzt freistehend, von verwandter Arbeit, gehörte nicht ursprünglich zu dem Schrank, dieser hatte vielmehr einen tisch-artigen Unterbau, der nach der alten, noch vorhandenen Zeichnung jetzt wieder hergestellt ist. Der Aufbau des Schrankes ist von barocker Architektur. Der Sockel ruht auf vier silbernen Greifen.

Platte vom Pommersche KunstschrankPlatte vom Pommersche Kunstschrank.
Augsburg 1617. 0,18 hoch.

Der Körper aus Ebenholz hat an den Ecken und als Türanschlag gekoppelte Säulen, in den dazwischen liegenden sechs Feldern ovaler Schilder, mit Darstellungen der freien Künste, in Silber getrieben. Darüber ein zweites Stockwerk mit Karyatiden als Trägern und eingefügten Platten von Schmelzarbeit, ferner (als einzige fremdländische Zutat) eingefügt runde Platten von Limoges-Email, darüber eine Art von Truhe, auf der als krönende Gruppe in Silberguss der Parnass dargestellt ist, auf den Vorsprüngen Figuren der Musen in Silberguss, alle architektonischen Teile sind überreich mit durchbrochenem Silber beschlagen, welches nach getriebenen Modellen in Guss hergestellt ist. In die Friese sind farbige Steine eingelassen, deren natürliche Musterung als Grundlage für Malereien benutzt ist. Die Innenseiten der Türen sind mit Gemälden bedeckt, die Wände der innen befindlichen zahllosen Fächer und Schubkasten mit Silber und Halbedelsteinen eingelegt, die letzteren wiederum bemalt. Das Figurenwerk hat an allen Teilen eine sinnbildliche Bedeutung in dem spitzfindigen Geschmack der Zeit. Die verschiedenen Darstellungen der Künste und Wissenschaften gipfeln in der Darstellung des Parnass, und dieser wieder, der Parnass mit dem Pegasus will erinnern an Philippus Princeps oder Philippus Pommeranus.

Die zahlreichen Motive auf den Platten

Rasiermesser aus dem Pommerschen KunstschrankRasiermesser aus dem Pommerschen Kunstschrank. 0,17 lang.

Die Malereien auf den Platten und Steinen geben die Elemente, die Zeichen des Tierkreises, die Tages- und Nachtstunden, Tugenden usw., die Platten in Schmelzmalerei symbolische Zeichen, die mit dem Namenszug und dem Wahlspruch der Fürsten in Zusammenhang gebracht sind. Auf derartige Geheimnisse, an denen man stundenlang »spekulieren und sehen« konnte, legte jene Zeit den höchsten Wert. Wir erfreuen uns mehr an den lebensvollen Darstellungen auf dem Lesebrett, den Schubkästen und dem Deckel der Apotheke, welche die Bestimmung der einzelnen Geräte durch Figurengruppen in entsprechender Tätigkeit andeuten. Der nahezu vollständig erhaltene In halt des Schrankes stellt in künstlerischer Arbeit das Gebrauchsgerät eines vornehmen Herrn jener Tage dar. Die Stücke sind mit erstaunlicher Ausnutzung des Raumes höchst verzwickt in die Schubkästen geschachtelt, sodass auch das Herausnehmen, Vorlegen und Hineinpacken zu einem Zeitvertreib wurde. Im Schrank selbst befindet sich jetzt noch das Orgelwerk und der größere Teil der Apotheke, der übrige Inhalt ist ausgestellt. Er umfasst zunächst ein vollständiges Tischgerät, sechs große und sechs kleine herzförmige Teller, Messer, Gabeln, Löffel, Teekanne, Eierbecher, Gläser, Kannen, aus verschiedenem Material, ferner alles zur Körperpflege Gehörige, Rasiermesser, Kämme in einer seidenen, reich gestickten Kammtasche, Bürsten, Pinsel, Scheren, Spiegel, eine Kohlenpfanne, um das Bett zu wärmen, ferner in großer Zahl mathematische und geometrische Instrumente, Messwerkzeuge, Kompass, Zirkel, Uhren, Fernrohre, Kalendarien, auch Gebetbücher und Schreibtafeln, ferner eine vollständige Sammlung verschiedenartiger Spiele, Schachbrett, Mühlbrett — diese nebst dem Lesepult mit Silber eingelegt, die künstlerisch besten Teile —Toccadille, Kugelspiele, alles mit den dazu gehörigen Geräten, Körbchen für Schwamm und Kreide, Brettsteine und Figuren, darunter die Schachfiguren mit erlesener Kunst aus Elfenbein geschnitzt, ferner drei Spiele Karten aus Silberplatten, jede einzelne künstlerisch mit scherzhaften Darstellungen graviert; im Oberteil des Schrankes eine vollständige Hausapotheke mit nahezu 100 silbernen Flaschen und Büchsen, mit Wagen, Kräuterpressen und allen chirurgischen Vorrichtungen für Aderlass, Schröpfen, Spritzen und einer metallenen Deckplatte, auf welcher der Beruf des Arztes in scherzhafter Weise geschildert ist. Jedes dieser Hunderte von vorwiegend silbernen Geräten ist eigens für den bestimmten Zweck künstlerisch gestaltet und jedes verziert, entweder mit Bezug auf den Gebrauchszweck oder mit allegorisch-mythologischen Zutaten, die Stücke sind für den Gebrauch nicht gerade unverwendbar, aber im wesentlichen dienen sie als Gerüst für Entfaltung zierlichster Kunstspielerei. Auch von dem Inhalt des verlorenen Tisches ist noch einiges an Jagdgerät und gröberem Handwerkszeug auf uns gekommen. Der Tisch enthielt ursprünglich eine große Menge derartiger Stücke, sogar einen vollständigen Münzapparat und ein Klavier, von welchem uns das kleine silberne Klavier von Altensteter in Prag eine Vorstellung geben mag. In dem Schrank ist uns ferner erhalten eine bildliche Darstellung der Übergabe des Stückes durch Hainhofer an den Herzog, wobei im Gefolge Hainhofers die sämtlichen 24 Künstler und Handwerker, welche an dem Schrank gearbeitet haben, in genauer portät-artiger Darstellung erscheinen; eine besondere Tafel gibt Namen und Stand eines jeden an, darunter allein 6 Gold- und Silberschmiede. In den Schubladen ist jedes Stück mit einem Zettelchen bezeichnet, welches den Standort angibt und uns somit die Benennung der Geräte zu ihrer Zeit verbürgt. Durch diese Vollständigkeit — noch erhöht durch die erhaltene ausführliche Beschreibung wird das Ganze zu einem der wichtigsten Belegstücke für Kunst- und Kulturgeschichte aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts. Zugleich mit jenem Schrank war von denselben Künstlern und unter derselben Leitung, ebenfalls in Holz und Silber, der »Meierhof « angefertigt, das vollständige Modell eines ländlichen Edelsitzes, in dem Haus und Gehöft mit allen Sälen, Zimmern, Ställen, Scheunen, Gerät und Viehbestand in genau richtigem Maßstab und kunstvollster Arbeit dargestellt war. Dieser Meierhof ist verschwunden. Erhalten sind uns in ähnlicher Arbeit allerlei kleine Möbel und Geräte aus den Puppenhäusern jener Zeit.

 

Der Kasten des Kunstgewerbe-Museums

Kasten Augsburg nach 1600Kasten Augsburg nach 1600. 0,73 hoch.

Dem pommerschen Kunstschrank nahe verwandt ist ein Kasten des Kunstgewerbe-Museums, im Aufbau gefälliger, aber in der Silberarbeit (Mathias Wallbaum) zum Teil weniger gut. An diesem sind, wie an den meisten derartigen Augsburger Kästen, vorhandene Modelle in beliebiger Zusammenstellung, zum Teil ohne Rücksicht auf den Maßstab, verwendet. Von verwandter Arbeit sind im historischen Museum zu Dresden ein Reisetisch, welcher eine vollständige, augenscheinlich für praktische Benutzung bestimmte Ausstattung enthält, in der sich einige Modelle des Pommerschen Kunstschrankes wiederholen, ferner drei Kästen verschiedener Größen. Sehr beliebt war diese Arbeit von Ebenholz und Silber für Altäre. Auch bei diesen ging man über den kleinen Maßstab der Figuren und Ornamente nach vorhandenen Modellen nicht hinaus und häufte sie stark, so die Altarwände in Kopenhagen, Frederiksborg, Loreto, eine Altarausstattung in kleinerem Maßstab, daher ansprechender, in der Kapelle der Wiener Hofburg, eine herrliche Tafel in Überlingen, vieles in Spanien. Von weltlichem Gerät finden sich vielfach Spielbretter mit gravierten Silberplatten eingelegt, eines der vorzüglichen von Paul Göttich gearbeitet, ähnlich eines in Braunschweig, ferner Rahmen für Spiegel und Bilder, Uhrkästen usw.

Kassette der König Maria von EnglandKassette der König Maria von England, 1694. 0,47 lang.

Neben den Kästen, welche sich in architektonischem Aufbau als Zimmerschmuck entwickeln, behauptet die Kassette als Gebrauchsgerät ihren Platz. Zur Aufbewahrung von Wertstücken wird sie aus Eisen hergestellt, mit sehr kunstvollen Schlössern und außen nur mit flachem Ornament beschlagen, um leicht beiseite gestellt oder mitgenommen werden zu können, künstlerisch und historisch merkwürdig die englische Kassette, welche sich durch den Namenszug und das noch erhaltene königliche Siegel als die Kassette erweist, in welcher Königin Maria von England bei ihrem Tode 1694 dem König Wilhelm III. ihre Papiere hinterließ.

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