Die Münze ist nicht in dem Sinne Gegenstand der Kunst, dass sie selbst oder etwas von den vielen Facetten, die die Münze aufweist, ein Vorbild für bildende Künstler irgend welcher Art abgäbe. Ein Vorgang numismatischen Inhalts ist allerdings oft dargestellt worden. Die evangelische Erzählung vom Zinsgroschen, die ja auch sonst im Münzwesen eine erhebliche Rolle spielt. Aber das numismatische an diesem Vorgang tritt immer weiter in den Hintergrund, so wie unser Empfinden für die Darstellung.
Dasselbe gilt für die Bilder der altniederländischen Schule, die uns einen oder mehrere Wechsler oder Kaufleute in voller Tätigkeit des Wiegens und Zählens von Geldstücken vorführen und dabei gelegentlich so weit gehen, das Gepräge der einzelnen Geldstücke in allen Einzelheiten deutlich wiederzugeben.
Der Wert und die Bedeutung der Goldmünze für die Kunst und innerhalb der Kunst liegen in zwei anderen Beziehungen. Einmal ist die Münze selbst ein Kunstwerk.
Ein Künstler oder wenigstens jemand, der es zu sein glaubte und von Rechts wegen auch immer sein sollte, hat die Darstellungen erfunden und entworfen. Anschließend hat man, je nachdem ob es sich um ein zu gießendes oder zu prägendes Stück handelt, eine Form modelliert oder geschnitten, einen oder zwei Stempel graviert und das fertige Stück durch viele unterschiedliche teilweise mechanische, teilweise chemische Operationen, wie beispielsweise das Sieden, Polieren oder Putzen ansehnlich gemacht. So steht die Münze im Zusammenhang mit den Künsten des Malers und Bildhauers, des Graveurs und des Erzgießers. Die berühmtesten Vertreter aller dieser Kunstzweige haben auf Münzen Spuren ihres Wirkens hinterlassen. Denn von Zeiten des Niederganges und der Verrohung abgesehen, ist es von Anfang an eine gleichsam natürliche Forderung gewesen, das Bedürfnis, das die Münze ins Leben rief, in einer ästhetisch möglichst wohlgefälligen Form zu befriedigen. Auf diese Weise wird die Münze abhängig von dem Geschmack ihrer Entstehungszeit und ihrer Heimat. Das zeigt sich oft schon in ihrer äußeren Erscheinungsform. Wie vorzüglich passen z.B. die vielen linsen-großen Gold- und Silbermünzchen der Griechen zu ihren zierlichen, flachen Trinkgefäßen aus Ton und den zarten, hauchdünnen Glasschalen? Und wie gut erinnern uns die dicken Taler des 16. Jahrhunderts an den handfesten Landsknecht, der sich auf schwerem Holzschemel dehnt, den Zinnhumpen in der harten Faust! Und so fügt sich letztendlich auch das Geld in den großen Zusammenhang aller Kunst ein, dass wir nicht nur aus seiner größeren oder geringeren Schönheit auf die Höhe des Wohlstandes zur Zeit und am Ort seiner Ausgabe schließen können, sondern dass sich auch für jede Epoche und für jede Gegend ein bestimmter Stil der Münzen herausbildet. Mit größter Sicherheit können wir im Altertum nicht nur weit auseinander liegende Epochen und Länder unterscheiden, sondern es zeitigt oft eine einzelne Münzstätte, ein kurzes Jahrzehnt und gewisse Merkmale, die ihre Erzeugnisse einem geübten Auge deutlich erkennbar herausheben. Daher gibt eine, nach den durch die Stilunterschiede sich ergebenden Zeitabschnitten geordnete, Sammlung griechischer Münzen einen vortrefflichen Leitfaden für das Studium der hellenischen Plastik. Im Mittelalter schließlich, selbst in den finstersten Zeiten, ist, was wir „Fabrik“ oder „Mache“ nennen, unser wesentlichstes, oft unser einziges Mittel zur Bestimmung der Münzen. Wir verstehen darunter die zahlreichen, mit Worten oft gar nicht zu schildernden Besonderheiten im Äußeren des Geldstücks: die Dicke des Schrötlings, Farbe und Biegsamkeit des Silbers, die Kraft der Stichelführung, die Art des Randes und die Eigenheiten der Münzbilder selbst, die wir allgemein unter dem Namen „Stil" zusammenfassen. Alle diese Dinge sind durchgehend so gleichmäßig festgehalten worden, dass wir einem Geldstück, auch wenn es uns nur eine Lilie oder ein Kreuz zeigt, meist auf den Kopf zusagen können, in welcher Gegend und zu welcher Zeit es entstanden ist. Und so ist es gelungen, selbst die stummen Münzen mit alltäglichen oder nichtssagenden Geprägen wenigstens nach der Zeitstellung und dem Landstrich in Gruppen zu vereinigen.
Des Weiteren ist die Münze aber auch ein Denkmal, eine Quelle der Kunstgeschichte, insofern sie uns Bilder von anderen Kunstwerken überliefert. Wir sahen bereits, wie zu allen Zeiten nicht nur Fürstenbilder, Hoheitszeichen und religiöse Symbole, Waffen, Geräte und Landeserzeugnisse zu Münzbildern verwandt werden, sondern auch Bauten, Tempel und Kirchen nebst Schöpfungen der Plastik, ein sozusagen urkundliches Material, dessen Untersuchung und Zusammenfassung die Kunstforscher erst spät begonnen haben. Selbstverständlich kann im folgenden über den Rahmen der Andeutung nicht hinausgegangen werden.
Die ältesten griechischen Münzen sind meistens mit nur einem Stempel geschlagen worden, die Rückseite zeigt daher die Spuren des Eisens, welches dazu diente, den silbernen Schrötling von oben her festzuhalten, in Gestalt eines, meistens durch geradlinige, das Ausrutschen verhindernde Einschnitte geteilten Vierecks, des sogenannten „quadratum iucusum“ (s. Abb. 1, 37). Dieses Viereck wird später zur Anbringung einer Aufschrift oder eines besonderen Gepräges, häufig der Einteilung in Felder folgend, benutzt und verschwindet nach und nach immer mehr. Lediglich der Rand erhält sich noch lange und dient als Umrahmung (s. Abb. 32). In Großgriechenland wird in dieses Obereisen häufig das Prägebild der Hauptseite so eingraviert, dass es auf der Münze vertieft erscheint und das Stück einigermaßen an unsere Brakteaten erinnert (s. Abb. 36).
Die Münzbilder bestehen in der allerersten Zeit aus den Attributen der Götter, ihren heiligen Tieren und dergleichen, erst um 550 stellen sich die Götter selbst ein, in Haarpracht und Gesichtsausdruck durchaus archaisch, Haltung und Bewegung steif und eckig. Aber schon kurz danach traut man sich in Nordgriechenland, auf einer Fläche von etwa einem Markstück mehrere Figuren anzubringen. Einen Mann mit einem Stier-Gespann, einen Satyr mit einer Nymphe in allen Phasen eines bis zum Ende durchgeführten Liebeskampfes, endlich sogar die ganze Szene der Flucht des Aeneas mit Vater, Gattin und Sohn (s. Abb. 37).
Das wichtigste Gepräge der klassischen Zeit, deren Grenzen die Namen Perikles und Alexander annähernd bezeichnen, ist das Götterbild. Im allgemeinen haben sich aber die Stempelschneider nicht dazu herabgelassen, vorhandene Bildwerke einfach zu kopieren. Sie schufen selbständig und frei aus dem Reichtum der eigenen Künstlerseele. Aber sie fuhren doch auch im Strom der Entwickelung, standen im lebendigen Zusammenhang mit ihren Zeit- und Kunstgenossen, und darum entsprechen ihre Werke stets genau dem Charakter der sonstigen Plastik. Unter den Münzen von Elis erinnern einige merklich an den Zeus des Phidias, in neuerer Zeit sind Stücke gefunden worden, bei deren Anblick wir uns dieses hochgepriesene Meisterwerk ganz und gar vorstellen können. Sie stehen zwar noch ein wenig unter dem Einfluss der älteren Kunst, der Gesichtsausdruck beispielsweise ist streng, Haar und Bart lassen noch die Stilisierung von damals erraten (s. Abb. 38). Dann folgt um 370 eine Veränderung: Haar und Bart wallen, wie vom Wind bewegt, und der Gesichtsausdruck wird freundlicher und gütiger.
In Elis finden wir auch das Hera-Ideal des Polyklet, in Aenus (Thracien) Hermesköpfe, die an die Bilder des Parthenon erinnern. Apollonköpfe von vollendeter Schönheit zeigen Münzen von Amphipolis (s. Abb. 38), Klazomenae, Ilhodus, Artemis wird in Arkadien, Athene im groß-griechischen Herakleia in nicht zu überbietender Schönheit dargestellt (s. Abb. 39) Ganz Griechenland wetteifert förmlich in heiliger Ehrfurcht des Schaffens und es sind nicht nur die großen und reichen Städte, die uns schöne Münzen hinterlassen haben. Wie in der Waldeinsamkeit Arkadiens unter der Meisterhand des Iktinos der wunderschöne Tempel von Phigaleia erwuchs, so haben auch unbedeutende und arme Ortschaften und Inselchen ihren vollen Anteil an dieser Form der Gottesverehrung. Allmählich stellt sich dann auch ein vertraulicher, man möchte schon fast sagen, ein gemütlicher Zug ein. Aphrodite spielt mit dem kleinen Eros, Täubchen fliegen lassend, Poseidon beugt sich mit der Zärtlichkeit eines Großvaters hinab zu dem Tarasknaben, der sich schmeichelnd an sein Knie schmiegt (s. Abb. 40). Und welch ein gesunder, übermütiger, ja beinahe schon derber, doch nie unschöneren Realismus in der Darstellung der Satyrn. Der eine plagt sich mit seinem Eselchen und packt es am Ohr, weil es störrisch bockt, der andere sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden und hebt den vollen Becher zum Mund (s. Abb. 41), den geleerten betrachtet wehmutsvoll ein dritter, ein anderer greift unter dem Einfluss der Folgeerscheinungen allzu reichlichen Alkoholgenusses zum gesalzenen Thunfisch.
Die Herrlichkeit griechischer Stempelschneidekunst beschränkt sich jedoch nicht auf die Bewohner des Olymps und die Verwanten und zugetanen Wesen. Wir bewundern sie nicht weniger, wenn wir sehen, wie sie in unerschöpflichem Reichtum der Erfindung auch den alltäglichen und häufig wiederholten Gegenständen immer neue Gesichtspunkte abzugewinnen vermag. Die Tierdarstellung, ursprünglich nichts weiter als der Ausdruck des Besitzes eines nützlichen oder heiligen Gegenstandes, erhebt sich im Münzbild von Thurii, dem mit gesenkten Hörnern wild dahinstürmenden Stier, zu monumentaler Größe. Auch hier die allmähliche Wandlung zum anmutigen Genre-Bild. Wir sehen eine Kuh, die sich mit dem Hinterhufe krault oder ihr Kalb mit Mutterstolz betrachten, weidende und trinkende Rosse, den reisenden Jüngling, der mit liebevoller Sorgfalt kniend den Huf seines edlen Tieres untersucht, einen Knaben, der in der Freude seines Herzens das preisgekrönte Ross umarmt. Von der olympischen Ruhe des elischen Götterkönigs spiegelt sich ein Teil auch auf seinen heiligen Adler. In majestätischer Haltung sitzt er da, Hals und Kopf zurück gelegt und doch den Ausdruck kühner Entschlossenheit bewahrt. Ein prachtvoller Gegensatz zu seinen beiden Vettern auf den Münzen von Agrigent in Sizilien (s. Abb. 42), die von dem niedergeworfenen Hasen essen. Einer beugt sich vor und reißt das Fleisch von dem noch zuckenden Körper, der andere hebt Haupt und Schnabel hoch empor, um das herausgerissene Stück herunter gleiten zu lassen. Genauso bewundernswert ist die Schärfe der Beobachtung und die Wiedergabe, ebenso wie die Feinheit der Anordnung, die beide Vögel gleichmäßig zur Geltung kommen lässt. Auf Münzen von Aenus, dessen herrliche Hermes-Bilder wir bereits bewunderten, wird das Bild der Rückseite in geradezu humoristischer Weise mit dem Beizeichen in Verbindung gebracht. Einmal ist es ein Trinkhorn, in das der heilige Bock lüstern hineinschaut, ein anderes mal ein Zweig, nach dem er gierig schnuppert. Und wie viel Anmut liegt noch in den unscheinbaren Beizeichen selbst, die von diesem Volk aus Seeleuten mit Vorliebe aus den Fluten des Meeres geschöpft werden: Fische aller Art, Hummer, Muscheln und vor allem die zierlichen Gestalten der Taschenkrebse und Tintenfische. Schon hier erkennt man die Tiefe der Formschönheit, die auch den kleinen Lebewesen zu eigen ist.
Zu den vollendetsten Schöpfungen gehören die sizilianischen Münzen mit Zwei- und Viergespann, die wir teils in voller Fahrt dahin jagen oder in edler Ruhe des heiß errungenen Preises harren sehen. Die Siegesgöttin lenkt entweder selbst den Wagen (s. Abb. 42) oder sie fliegt ihm entgegen, eine frohe Botschaft des Erfolges, wie sie z.B. auch auf der Athenagruppe des Frieses am großen Altar von Pergamon erscheint (s. Abb. 43). Sizilien war durch seine Rosse berühmt und seine Könige ließen es sich nicht nehmen, mit ihren Viergespannen in Olympia um die Palme zu streiten. Wenn ein solcher Sieg mit Denkmälern wie diese Münzen gefeiert wurde, dann wundern wir uns nicht mehr, dass ein Pindar „der Muse Lied den harten Kampf gerne verklären" lässt und die höchsten, vollsten Töne anschlägt, den Sieger zu feiern als die „Stütze der Stadt aus hoch gefeiertem Geschlecht, der ihre Blüte hebt", und wir verstehen die zunächst etwas spöttisch klingenden Worte des Horaz von der Siegespalme, die „die Herren der Erde zu den Göttern erhebt" als den Ausdruck einer voll empfundenen Überzeugung. Zu den Hauptseiten der syrakusanischen Reihe dieser Münzen hat einem der bedeutendsten Künstler bei Darstellung des Kopfes der Stadtgöttin Arethusa stets dasselbe Modell, das ganz besonders die schwellenden Lippen und der ernste Blick kennzeichnen (s. Abb. 43), gedient. Von diesem edlen Haupt sagt Winckelmann mit Recht: „Weiter als diese Münzen kann der menschliche Begriff nicht gehen. Hätte nicht Rafael, der sich beklagte, zur Galathea keine würdige Schönheit in der Natur zu finden, die Bildung derselben von den syrakusanischen Münzen entlehnen können?"
Wir sind hier einmal in der glücklichen Lage, den Künstler zu kennen. Die Münze selbst nennt ihn: Euainetos. Nur verhältnismäßig wenige Inschriften dieser Art sind bekannt, die uns bis zu 40 Namen liefern; die eine von ihnen, auf einer Münze von Klazomenae geprägt, setzt dem Namen Theodotos das sonst bei Bildhauer-Werken übliche Almlist hinzu. Dieser Mann fühlte sich also den großen Bildnern ebenbürtig und wir können nur annehmen, dass er wirklich auch einer war, dass also Künstler anstatt Handwerker die Stempel zu diesen Münzen geschnitten haben, die nie eine Verzeichnung aufweisen und deren Gebrauchszweck mit der gleichen spielenden Sicherheit überwunden ist, wie die Schranken des Raumes. Große Meister des Meißels, Bandinelli, Michelangelo oder Thorwaldsen haben an ihnen die Gesetze ewiger Schönheit studiert und Goethe schrieb aus Sizilien das begeisterte Wort: „Aus diesen köstlichen Münzen lacht uns ein unendlicher Frühling von Blüten und Früchten der Kunst entgegen". Ein Frühling leider, der nach nur all zu kurzer Blüte endete.
Nicht ganz vollwertig ist der Ersatz, den uns die Folgezeit mit ihrer von Lysippos beeinflussten Kunst in den Bildnissen bietet. Wir sehen da geradezu genial aufgefasste und meisterhaft wiedergegebene Köpfe, z. B. den des letzten Königs von Makedonien, Perseus (179 -168) (Abb. 44. Bildnisse der Könige Perseus und Mithradates VI.) in dem wir ohne weiteres die vornehme Dekadenz erkennen müssten, auch wenn uns sein Ausgang nicht überliefert wäre (s. Abb. 44). Ebenso verhält es sich mit manchen der asiatischen Herrscher, bei denen wir unwillkürlich fragen, ob wohl mehr hellenisches oder barbarisches Blut in den Adern des Dargestellten floss. Vielleicht die großartigsten dieser Bildnisse sind die des sechsten Mithradates, des grimmigen Römer-Feindes († 63), die uns alle Züge der berühmten Charakteristik Mominsens deutlich widerspiegeln (s. Abb. 44). Die spätere Zeit, von den Erinnerungen an eine große Vergangenheit lebend, hat sich dann wenigstens bemüht, dieses Erbe für die Nachwelt zu retten. So erfand sie, vielleicht hin und wieder eine lokale Überlieferung benutzend, die Bildnisse geschichtlicher und sagenhafter Persönlichkeiten und hat uns den blinden Sänger der Ilias und Odyssee (s. Abb. 45) auf den Münzen von nicht weniger als 10 Städten, dazu Sappho und Alkäos in Mytilene, Anakreon in Teos, Herodot in Halikarnassos, dargestellt und noch dazu Bias und Pittakos, Herakleitos und Hipparchos und andere Geistesgrößen. Auch Darstellungen aus den Mären der Vorzeit kommen jetzt vielfach vor, z. B. aus dem trojanischen Sagenkreis in Ilion und anderen Städten der Troas, Hero und Leander in Abydos (s. Abb. 46), der jüngere Ajas bei den Lokrern, Dido in Tyrus, Bellerophon in Korinth. Und selbst nicht mehr fähig, Großes zu schaffen, haben diese Jahrhunderte, einen in der klassischen Zeit nur vereinzelt nachweislichen Gebrauch ausbauend, die großen Kunstwerke der Vorzeit, die ihnen noch in voller Pracht vor Augen standen, auf ihren Münzen abgebildet. Nur ein paar Beispiele seien an dieser Stelle genannt: Die Athena Parthenos des Phidias, der Dionysos des Praxiteles, die Eirene des Kephisodot und der farnesische Stier (s. Abb. 47). Diese Werke sind heute teils verloren gegangen, teils mehr oder minder ungenau wiederhergestellt worden. In so reicher Fülle sind solche Abbildungen von den berühmtesten Meisterwerken der Baukunst und der bildenden Kunst, die das glückliche Hellas früher beherbergte, von Tempeln und Burgen, Gruppen und Einzelstatuen, auf uns gekommen, dass zwei Gelehrte zu des Pausanias berühmter „Beschreibung Griechenlands", dem Urbild unserer Reisehandbücher, einen numismatischen Kommentar schaffen konnten, der von manchem Kunstwerk, das uns verloren gegangen ist, wenigstens eine Vorstellung hergibt, allerdings damit zugleich das Leid erweckend, dass die Welt um so viel Schönheit ärmer geworden ist.
Bedeutend weniger Anlass zur Schwärmerei, trotzdem aber ebenfalls ein sehr reiches Material zu kunstgeschichtlichen Studien, bieten die römischen Münzen. Schon die pfundschweren Gussstücke des alten „aes grave“, die trotz ihrer uns etwas abenteuerlich erscheinenden Gestalt einen vornehmen Eindruck machen, regen zu Vergleichen mit den gleichzeitigen Griechen an, während sich an den alten Silbermünzen, insbesondere den in den Münzstätten des eroberten Kampanien geprägten, Übergänge und Vermischungen des Stils studieren lassen. Weitaus interessanter sind aber die Gepräge der Münztriumvirn. Allerdings kann hier von Schönheit nur im bescheidensten Umfange selbst bei den am besten gearbeiteten Stücken, wie z. B. den Denaren des Mamilius mit der Darstellung des heimkehrenden, vom treuen Hund Argos begrüßten Vieldulders oder des jüngeren Sulla mit der Gefangennahme des Jugurtha (s. Abb. 48), die Rede sein. Der bloße Gedanke an einen Vergleich dieser Zwei- und Viergespanne, mit denen von Syrakus oder Agrigent erscheint, wie eine Sünde. Wie handwerklich ist das alles entworfen, gruppiert und ausgeführt! Wie steif, nicht einmal ordentlich symmetrisch stehen z.B. die beiden Krieger da, die den Raub der Sabinerinnen veranschaulichen (s. Abb. 49), wie kindlich ist die Gerichtsszene auf dem Denar des Quintus Cassius durch den Richterstuhl im Tempel und die Urne neben dem fast ebenso großen Stimmtäfelchen mit „A“ (absolvo und „C“ (condemno) gekennzeichnet. Würden wir nicht bei den Schriftstellern mancherlei Beschreibungen der Denkmäler finden, an die die Münzen sich gelegentlich anlehnen oder deren Aufschriften sie wiederholen, wir würden oftmals ratlos vor diesen Bilderrätseln stehen. Und doch hat gerade dieses Kindliche, Unbeholfene seinen eigenen Reiz, nämlich den des Ursprünglichen. Wir sehen förmlich, wie der Künstler danach ringt, seiner Aufgabe gerecht zu werden, wie er sich müht, die von ihm gefundene Lösung unserem Verständnis nahe zu führen, wie er den einmal gefundenen Ausdruck festhält und für den gleichen Zweck wiederholt. Ein Denar des Porcius Laeca soll an die Einführung der Provokation (Berufung) in die Militärrechtspflege erinnern. Er zeigt einen von einem Liktor verfolgten Soldaten, der die Hand nach einer Person in der Toga, dem Volkstribunen, ausstreckt, darunter steht: „provoco“. Eine Beischrift erklärt auch auf dem Denar des Fufius Calenus die in vielen Beziehungen merkwürdige allegorische Darstellung: Roma mit dem Diadem auf dem Haupt, das Schwert an der Seite, den Fuß auf die Erdkugel setzend, reicht der nach dem Bundesgenossenkrieg sich wieder des Friedens erfreuenden, ein Füllhorn haltenden Italia die Hand. Ein Eisenschneider hat für die Darstellung der Gefangennahme eines vornehmen Herren aus dem Morgenland eine Gruppe erfunden. Neben einem Kamel kniet ein Mann, einen Ölzweig emporhebend, das Bildchen verwendet er nun sowohl zur Erinnerung an die Übergabe des Nabathäerkönigs Aretas wie des Judenfürsten Bacchius. Wir sind geneigt, Kunstwerke, die die Vaterlandsliebe geschaffen hat, nachsichtig zu beurteilen und, wenn auch das verdrossenen Demokratentum Mommsens darüber klagt, dass „statt der alten frommen und einförmigen Stempel die Hoffahrt patrizischer Jungen mit den oft sehr zweifelhaften Großtaten ihrer nicht selten ebenso zweifelhaften Ahnen" den engen Doppelkreis der Münze füllt, würden wir diesen Münzen, die in ihrer Gesamtheit eine schöne Versinnlichung des stolzen „civis Romanus sum" vorstellen, für alle künstlerischen Mängel mildernde Umstände zuerkennen. Aber sie brauchen das gar nicht. Wie anerkennend ist diese kleine Kunst, die zu einer Zeit, wo die Wissenschaft, die Bühne schon ganz unter griechischem Einfluss standen, wo griechische Bildwerke in ganzen Schiffsladungen nach Rom kamen und griechische Meister für allerlei Arbeit ihre geschickten Hände anboten, sich auf eigene Füße stellte, ohne die Hilfe der „Graeculi" in Anspruch zu nehmen!
Auch die Münzprägung der Imperatoren ist vom Hauch griechischen Wesens so gut wie ganz frei geblieben. Ihre höchste Leistung liegt im Bildnis. Konnte sie ihm auch nicht die ideale Schönheit, die geistige Verklärung verleihen, die ihm die Hellenen zu geben verstanden hatten, so leistete sie doch in kraftvoller und manchmal sogar derber Lebenswahrheit Vorzügliches. Wenn wir bei den Bildnissen der Diadochen etwa an die großen italienischen Maler des Cinquecento denken, so bleibt für die Römer der kaum minder ehrenvolle Vergleich mit den Holzschnitten der deutschen Meister. Und so betrachten wir mit freudiger Bewunderung diese prachtvolle Galerie von Bildnissen der Kaiser, ihrer Frauen und Kinder, sowie Eltern und Geschwister, deren Züge mit einer beim Mangel aller maschinellen Vervielfältigungsmethoden um so mehr bewundernswerten Gleichmäßigkeit festgehalten sind. Gerade die Gleichmäßigkeit, die uns einen einmal bekannt gewordenen Kaiser immer wieder, selbst auf abgeriebenen Stücken, erkennen lässt, hat diesen Köpfen den Ruhm des Typischen, geradezu Sprichwörtlichen eingebracht und zwar nicht nur in gelehrten und poetischen Schilderungen, sondern auch im Munde des Volkes, das sie in Deutschland als „Heidenköppel", in Russland als „Iwansköpfe" kennt. Werden uns hier nicht wenige Persönlichkeiten vorgeführt, von denen wir aus anderen Quellen kaum etwas wissen oder die sonst völlig unbekannt wären, so lockt es uns förmlich, aus ihren Bildnissen ihre Geschichte und ihren Charakter herauszulesen. Bis ins vierte nachchristliche Jahrhundert reichen diese wunderbar lebendigen Bildnisse, die in unzweifelhaftem Zusammenhang mit der Bildhauerkunst stehen, denn sie sind durchgängig auf denselben Ausdruck abgestimmt, wie die Büsten in unseren Museen. Augustus trägt bis an sein Lebensende die fast knabenhaft glatten, etwas nichtssagenden Züge, der greise Hadrian (s. Abb. 50) unterscheidet sich nicht merklich von dem jugendlichen und Antoninus Pius hält den Abglanz der Güte und des Nachdenken ebenso fest, wie der entartete Caracalla die übertriebene Wildheit. Ein Konservativismus, der zu dem bereits als bureaukratisch gekennzeichneten Charakter des Münzwesens in der Kaiserzeit sehr gut passt, so sehr er künstlerisch etwas entfernter anzusiedeln ist. Vom kunstgeschichtlichen Standpunkt ist auch noch der Luxus, der mit Allegorien und Personifikationen getrieben wird und zu einer gewaltigen Verallgemeinerung und Vervielfältigung dieser Darstellungen geführt hat, interessant.
Daneben verlangen die Abbildungen zahlreicher Tempel und Statuen, des Kapitols, des Kolosseums, der Tiberbrücke, des Zirkus (siehe Abb. 51) und anderer Gebäude Beachtung, wie sie denn schon wiederholt mit Erfolg zur Wiederherstellung alter Bauwerke benutzt worden sind.
Es ist ein achtenswertes Zeugnis für den Kunstsinn der Kaiserzeit, mag er auch schon bedenklich zur Kunstliebhaberei entartet gewesen sein, dass man sich mit dem Maße von Schönheit, das der Staat auf seinen Münzen anbrachte und für gut befand, nicht begnügte, sondern für die Befriedigung höherer Bedürfnisse eine eigene Gattung von Münzdenkmälern schuf: Die sogenannten „Medaillons" (s. Abb. 52,79). Diese Stücke erhielten ein oft noch durch eine reichverzierte Einfassung beträchtlich erweitertes größeres Format, offenbar in der Absicht, dem Stempelschneider mehr Raum zur Betätigung seiner Kunst zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich um eine Absicht, die allerdings einen nicht-künstlerischen, um nicht zu sagen barbarischen Eindruck zur Folge hatte, als in den Zeiten des Niederganges diese rohen Ungetüme entstanden, deren Goldwert das Einzige ist, was ihnen Respekt einbringt. Unter Augustus treten die Medaillons zuerst auf, vielleicht in Anlehnung an jene außergewöhnlich großen Geldstücke asiatischer Städte, die man nach der darauf angebrachten, zum Kult des Dionysos gehörigen cista mystica „Cistophoren" nennt. Seit Trajan werden sie häufiger. Man verwendete sie als Geschenke an vornehme Freunde, an Beamte und sogar an den Kaiser selbst, als Preise bei den Zirkusspielen und sonstigen Wettkämpfen, zur Niederlegung in Grundsteinen, als eine Art Ordens-Dekoration, die gelegentlich auch den Feldzeichen verliehen wurde, sowie als Schmuck, als Wandverzierung und dergleichen. Ihre Darstellungen entnehmen sie meist demselben Kreis wie die Bronzemünzen, also in erster Linie dem Leben des Kaisers (s. Abb.79) aber sie halten sich dabei im ganzen weniger offiziell als das Staatsgeld, wie wir z.B. Hadrian auf seinem ganz persönlichen Pferd Borysthenes dem Vergnügen einer Schweinejagd sich hingeben sehen. Dass auch die Götter nicht zu kurz kommen, versteht sich von selbst: Hier bilden die Medaillons, wie man es hübsch ausgedrückt hat, einen zwar nicht vollständigen aber erstaunlich reichen Festkalender. Dazu kommen dann die Helden der Vorzeit und ihre Taten, vorab die einheimischen: Aeneas mit seinen Trojanern auf der Flucht und bei der Landung in Italien (gelegentlich in deutlicher Anlehnung an virgilische Verse) Horatius Cocles, den Übergang über den Tiber verteidigend u.a. Ganz besonders merkwürdig aber sind einige erst seit wenigen Jahren bekannte große Goldmedaillons mit Darstellungen, die sich auf Alexander den Großen und sein Haus beziehen. Dem dritten nachchristlichen Jahrhundert entstammend und wohl zu Preisen bei Wettkämpfen bestimmt, wirken sie wie eine Illustration zu den tiefempfundenen Worten, die der gleichzeitige Arrian in der Vorrede zu seiner Geschichte der Feldzüge Alexanders dem großen König widmet.
Wie die letzten römischen Münzen auch unter dem künstlerischen Gesichtspunkt unerfreulich wirken und immer beträchtlicher hinter der Grenze dessen zurückbleiben, was sonst von der damaligen Kunst geleistet wird, so ist auch die noch fast tausend Jahre weiter reichende byzantinische Reihe nicht geeignet, den jeweiligen Betrachter zu erfreuen. All das Unschöne, was sich in der überlieferten Vorstellung mit dem Wort „byzantinisch" verbindet, das Steife, Konventionelle, findet sich auch auf den Münzen wieder. Starr und schematisch, ohne einen Hauch des Lebens, immer in der „grande attitude" der Staatsaktion stehen diese Bilder vor uns, genau wie auf den Mosaiken und es erhöht ihren Reiz sicherlich nicht, wenn sie in den Stürmen, die dieses Reich so oft erschütterten auch noch flüchtig gezeichnet und eilfertig geprägt sind, womöglich in der wunderlichen Schüssel-Form, die das Gepräge so wie ein Hohlspiegel verzerrt.
Um so verlockender ist die Untersuchung, in welcher Weise die antike Kunst das mittelalterliche Münzwesen beeinflusst hat. Dass die Germanen, die sich auf dem Boden des römischen Reiches niederließen, ihre Münzen durch römische Eisenschneider herstellen ließen und sich in deren Überlieferung bis ans Ende ihrer ja meist kurzen Herrschaft gehalten haben, dass also die Münzen der Ostgoten, Vandalen und Burgunden, der Franken, Westgoten und Langobarden den römischen Stil beibehalten oder unwesentlich weiterbilden, ist selbstverständlich. Auch die rohe Nachahmung römischen Geldes im Anfang der Sachsen-Herrschaft in England ergibt sich als gleichsam notwendige Folge aus der Tatsache, dass auch hier römischer Boden gewesen war, hatte es doch sogar Imperatoren gegeben, deren Reich sich über Britannien nicht hinaus erstreckt hatte.
Aber wie steht es mit den den Römern ferner liegenden Zeiten? Wenn man bedenkt, wie lange und in wie hohem Grad das Mittelalter unter dem Einfluss der Antike gestanden hat, schon allein durch den Gebrauch der römischen Sprache in allen wichtigsten Verhältnissen, wie Aristoteles schlechthin „der" Philosoph, Virgil „der" Dichter ist, wie die Baukunst als die großartigste Leistung der Römer und ihr wertvollstes Erbe eine stete Beschäftigung mit dem überkommenen Formenschatz notwendig voraussetzte, dann sollte man meinen, es müsste sich ein Einfluss von weitem Umfang in auf den Münzen finden lassen. Das ist aber nicht der Fall. Wir finden nicht mehr als 12 verschiedene Stücke aus der Zeit vor 1300, die römische Vorbilder kopieren: Karolinger (s. Abb. 25), sächsische Kaiser (s. Abb. 58) und Angelsachsen wiederholen römische Imperatorenköpfe, in Worms bildet man die heilige Helena nach dem Muster der einst von ihr selbst geschlagenen Münzen ab, in Mainz erscheint eine Nachbildung des Mithra-Bildes auf Münzen des Gallienus, in Österreich die zwei unter dem Reichsbanner gelagerten Gefangenen, die übliche Versinnlichung der „Virtus exercituum". All dies offenbar von der Gelegenheit eingegebene Nachahmungen, wahrscheinlich durch umlaufende Münzen veranlasst, wie denn ein anderer österreichischer Eisenschneider sogar das Münzbild der griechischen Stadt Tarent, den auf dem Delphin reitenden Stadtgott (s. Abb. 4), auf seinen Pfennig gesetzt hat. Man ahmte eben nach, was man hatte und konnte, eine Beziehung ließ sich mit Hilfe der allumfassenden Allegorie schließlich überall hinein-geheimnissen. Die Nachahmung römischer Vorbilder insbesondere konnte sich auf die übliche Anschauung von der Fortsetzung des Imperium Romanum durch den „deutschen" Kaiser berufen. In dieser Anschauung, verbunden mit dem Geschmack und dem Bedürfnis höherer Kulturentwickelung, ruht auch der Ursprung des Bildnisses auf den Goldmünzen Kaiser Friedrichs II. (s. Abb. 53), das, nach spätrömischen Vorbildern gezeichnet, vielfach auf Silbermünzen wiederholt worden ist. So betrachtet erscheint die Nachbildung römischer Münzen nicht wesentlich anders als die Verwendung einer antiken Gemme, ein Edelstein, als Siegelstein oder einer Dichterstelle zur schwungvolleren Ausgestaltung eines Urkundentextes.
Größeren Einfluss als die Römer scheinen die Byzantiner auf die deutsche Stempelschneidekunst ausgeübt zu haben. Die Sitte, zwei Köpfe oder ganze Figuren durch ein Kreuz oder einen Stab getrennt abzubilden (s. Abb. 81). Die Bevorzugung der von vorn dargestellten Bildnisse, die steife zeremoniöse Haltung der Münzherren und Heiligen,alles das schmeckt stark nach Byzanz. Aber bei aufmerksamerer Betrachtung müssen wir uns sagen, dass die feierliche Kunstweise wie die Ungeschicklichkeit der Stempelschneider diese Erscheinung auch ohne Zuhilfenahme von Byzanz ausreichend erklären. Wenn wir dann noch beachten, dass die Nachahmungen byzantinischer Geldstücke fast alle einer Zeit angehören, wo der eigentlich „byzantinische" Stil selbst noch in der Entwickelung war und dass sie aus Münzstätten (Mainz und Umgebung) stammen, wo nachweislich viel fremdes Geld im Umlauf war und man sogar arabische Dirhems nach geprägt hat, so werden wir diesen Einfluss womöglich noch geringer einschätzen müssen als den Roms. Diese Feststellung hat einen über den Rahmen der kunstgeschichtlichen Betrachtung hinausgehenden Wert. Sie zeigt, wie die Münze sich selbst gegenüber so starken Einflüssen, die man sonst überall spürt, ihre volkstümliche Eigenheit zu bewahren gewusst hat. Dass im übrigen Südeuropa, insbesondere die slawischen Reiche auf der Balkanhalbinsel und die Normannen-Fürsten in Unteritalien, vielfach nach byzantinischen Mustern arbeitet, versteht sich nach den geschichtlichen Verhältnissen und den Verkehrsrücksichten nahezu von selbst.
Zur Betrachtung der Leistungen der mittelalterlichen Stempelschneidekunst übergehend, können wir ihr in Bezug auf das Bildnis nicht all zu viel Gutes berichten. Aus der Zeit der Karolinger haben wir zwar, wie schon erwähnt, ein paar (vielleicht unter dem Einfluss der römischen Medaillons entstandene oder ihnen wenigstens vergleichbare) Stücke, die sich nicht ganz ohne Erfolg, bemühen, ein wirkliches Bildnis mit individuellen Zügen zu schaffen (s. Abb. 25). Auch von den sächsischen Kaisern gibt es einige wenige leidliche Porträts, beispielsweise den jugendlichen Otto III. in Köln, Heinrich II. in Regensburg, Heinrich IV. in Duisburg und Konrad II. in Köln (s. Abb. 54) und Dortmund. Aber es ist kennzeichnend, dass diese Stücke so vereinzelt sind und, im Gegensatz zu Roms sich stets gleich bleibenden Kaiserbildnissen, selbst in derselben Münzstätte nicht auf allen gleichzeitigen geprägten Münzen gleichermaßen abgebildet wurden. Wenn also auch das übliche Verdammungsurteil, die Münzbildnisse des Mittelalters seien von „unglaublichem Ungeschick“, in dieser Allgemeinheit falsch ist, so muss doch anerkannt werden, dass Zerrbilder in den ersten Jahrhunderten nicht selten sind und das diese Tatsache wirklich typisch ist. Selbst die Kunst der Brakteaten-Zeit hat in diesem Fall nicht zu einem Wandel geführt, da sie sich auch nur selten zu einem Profilkopf aufschwingt und sich so gut wie ausschließlich mit von vorn dargestellten Bildnissen begnügt.
Der Wendenfürst Jakza von Köpenick, Zeitgenosse und Gegner Albrechts des Bären, dessen kurze Prägung in vielen Beziehungen zu den merkwürdigsten auf dem Gesamtgebiet der Numismatik zählt und der wohl einen Teil seiner Münzstempel in Magdeburg hat schneiden lassen, ist der einzige, der uns, allerdings nur auf einem seiner Pfennige, ein durchaus anerkennenswertes Profilbild mit welligem, vielleicht künstlich gelocktem Haar und Bart hinterlassen hat (s. Abb. 55). Auch von Kaiser Friedrich I. gibt es ein Stück, das wenigstens versucht, seinen berühmten Bart, wenn auch nur als Schnurrbart, der aber auch schon eine Seltenheit ist, darzustellen. In Byzanz zeichnen sich die Kaiser Konstantin III. und IV. (641-685) durch einen wallenden Riesenbart aus, dem der letztere seinen Beinamen Pogonatus verdankt. Im allgemeinen aber verzichten die Eisenschneider von vornherein gänzlich auf den Versuch, die Züge des Münzherrn nachzubilden und begnügen sich mit rein schematischen Darstellungen. Sie folgen darin den Mosaik-Künstlern nach, sowie den Siegelschneidern und Malern, wie eine höchst interessante schlesische Urkunde von 1466 beweist, in der ein älteres Siegel folgendermaßen beschrieben ist: „Bildnis eines erlauchten Herrn mit krausem Haar, der auf dem Haupte eine Art Mitra oder Barett trägt, wie Fürsten in ihrer Majestät gemalt zu werden pflegen". Das in dieser Beschreibung als wesentlich hervorgehobene krause, wallende Haar, das alte Zeichen des freien Germanen, wird auch auf den Münzen, oft mit sehr viel mehr Eifer als Geschick, zum Ausdruck gebracht. Zwei Kugeln an den beiderseitigen Enden eines geschwungenen Striches, zu denen manchmal eine dritte auf dem Scheitel tritt, gelegentlich eine Reihe oder ein Anhäufung Kugeln und auch kühn geschwungene Bogenlinien sind das Mittel. Wie wenig Wert man auf ein wirkliches Bildnis legte, beweisen Münzen des späten Mittelalters, z. B. des Königs Ferdinand von Portugal (1367-1383) und eine schwarzburgische Münze von 1493, auf denen das fürstliche Haupt mit dem Helm bedeckt erscheint, dessen Visier heruntergelassen ist. Selbst die zierlichsten Gepräge dieser späten Zeit, die in der Architektur und in der Verzierung des Kreuzes nicht nur große Sorgfalt, sondern auch viel Geschmack verraten, begnügen sich mit nichtssagenden Gesichtern (s. Abb. 56).
Dies ist jedoch kein Grund, den Eisenschneidern einen Vorwurf zu machen und ihren Arbeiten alle künstlerische Bedeutung abzustreiten. Denn wir erleben das Gleiche bei zahlreichen Werken der anderen Künste, mit denen die Kunstgeschichten sich schmücken. Kein Geringerer als Jakob Burckhardt hat diesen Mangel in längere Darstellung erklärend dargestellt und entschuldigt, wir nehmen seine Gründe auch für die Münzer in Anspruch, die das Unzulängliche, das Minderwertige ihrer Bildnisse offenbar sogar selbst empfunden haben, da diese Darstellungen im Vergleich zu der anfänglichen Fülle immer seltener werden. Erst gegen Ende des Mittelalters kommt die Besserung, und zwar aus Italien, wo der Einfluss der Medaille auch die Münzprägung veredelte und gefeierte Künstler, insbesondere Maler und Goldschmiede, Entwürfe zu Bildnissen fertigten und sogar selbst Stempel gravierten (s. Abb. 68). In Deutschland erscheint die Wiedereinführung des Bildnisses um 1500 wie eine große Neuheit. Der Kardinal Albrecht, der Bruder Joachims von Brandenburg, der allerdings etwas eitel gewesen sein soll, macht das Porträt auf seinen Talern von 1524 durch Beifügung des auch auf seinen beiden Dürerbildnissen von 1519 und 1523 angebrachten virgilischen Verses: "Sic oculos, sic ille genas, sic ora ferebat" zu einem persönlichen Denkmal seiner eigenen Schönheit. Noch im Jahr 1546 verlangt König Ferdinand als Oberlehnsherr von Friedrich von Liegnitz wegen des Bildes auf seinen Talern die Vorlegung eines besonderen Privilegs und die ältesten Medailleure halten es auffällig oft für nötig zu sagen, ein Bildnis sei „ad vivum" („nach dem Leben“) angefertigt sei.
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