Wenn man bedenkt, dass in der Vorzeit überall, soweit unser Wissen reicht, die Priester es sind, die die höchsten Kenntnisse besitzen und wenn man sich anschaut, wie von den Tempeln alle Kultur ausgeht, wenn man dann noch die Tatsache mit einbezieht, dass Opfersteuern die Majestät der Götter nirgends (zumindest nicht im wörtlichen Sinne) so „kümmerlich" ernähren, wie Goethes Prometheus es ihnen vorwirft, so wird man von vornherein geneigt sein, der Religion einen großen Einfluss auf die Entwickelung des Münzwesens einzuräumen. Bekanntlich stammt alles, was mit messen und abwägen zusammenhängt, aus Babylon, dessen Priester geradezu überragende Kenntnisse in den exakten Wissenschaften besessen haben müssen. Sie sind es auch die ein ausgebildetes Gewichtssystem entwickelten, dass auf dem Gewicht eines Weizenkorns aufbaut oder (wie man heute annimmt) auf mathematischer Berechnung, das sich dann über Vorderasien nach Hellas verbreitete und in letzter Linie die Wurzel aller Systeme, bis zur Einführung der metrischen Rechnung gewesen ist. Die vergleichende Mythologie hat uns ferner in, bezüglich der Einzelheiten noch viel umstrittenen Untersuchungen, erkennen lassen, dass, wie hoch man auch den Einfluss der Zentraleuropäier einschätzen möge, das Morgenland die griechisch-römische Götterwelt ganz erheblich beeinflusst hat, dass einzelne religiöse Vorstellungen wie ganze Kulte vom Euphrat nach Hellas importiert worden sind.
Nun hat Curtius darauf hingewiesen, dass die Gottheiten, deren Zeichen als Münzbilder dienten, nicht immer die eigentlichen Stadt- oder Staatsgottheiten gewesen sind und dass insbesondere die als älteste geltende Münze von Aegina ein Gepräge hat, das sich auf eine sozusagen fremde, importierte Göttin bezieht, die in Babel heimische Seefahrts- und Handelsgöttin „Aphrodite“, deren Heiligtümer in allen dem Seeverkehr offenen Gestaden standen. Dieselbe Göttin ist aber nicht bloß auf dem Seeweg nach Europa gekommen, sondern auch über das Land und es ist wiederum eines der ältesten Geldstücke, die lydische Löwenmünze, deren Gepräge ihr Wahrzeichen bildet. Für den Weltverkehr ihrer Priesterschaften genügte der alte Gütertausch jedoch nicht, sie brauchten ein bequemeres Zahlungsmittel für die mit dem Kultus im Zusammenhang stehenden Geschäfte, den Handel mit Götterbildern und Amuletten, für gewisse Opfergaben, für den Verkehr mit den zur religiösen Prostitution bestimmten Mädchen und schließlich für die Spiele und Feste der Göttin. Dazu setzte sich der in den Heiligtümern zusammenströmende Reichtum in den Stand, auch allerlei private Geschäfte, etwa den unseren Großbanken vergleichbar, zu betreiben: Sie gaben Darlehn, nahmen Deposita an und finanzierten Gewinn verheißende Unternehmungen. So wurden die Priester dieser babylonischen Aphrodite die Erfinder der Münze, die auch sonst vielfach ihren Ursprung in den Tempeln hatte. Auf manchen Geprägen finden sich Namen von Priestern mit ihrer Titulatur genannt, ein Geldstück von Metapont bezeichnet sich selbst als Preis für heilige Spiele und eine milesische Drachme gibt als ihren Ursprungsort geradezu das didymäische Heiligtum der Branchiden an. Dazu kommen noch „Münzen ohne Staat“, d. h. Solche, die, wie gewisse arkadische, nur von einer Behörde ausgegangenen sein können, die das gemeinsame Heiligtum eines längst in kleinere Staatswesen zersplitterten Landes hütete und verwaltete, endlich die Tatsache, dass Falschmünzer wie Verbrecher gegen die Gottheit bestraft wurden.
Dass dieser Theorie auch ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit innewohnt, wird sich nicht bestreiten lassen. Nur möchte es sich nicht empfehlen, sie zu verallgemeinern und als gemeingültig aufzustellen, dazu sind die zusammengetragenen Tatsachen doch zu mehrdeutig.
Dass den Priesterschaften, ihren Verkehrsbeziehungen und Reichtümern ein gewisser Einfluss auf die Prägung des ältesten Geldes zukommt, lässt sich nicht bestreiten. Auch dass dieser Einfluss sich in einigen Fällen auch zur Prägung eigener Münzen verdichtet hat, ist sehr gut möglich. Aber im allgemeinen ist doch der Staat auch wohl nach altgriechischer Anschauung für die Ausgabe des Geldes allein zuständig gewesen oder zumindest sehr bald überall zuständig geworden, wie es Curtius selbst zugibt, so dass das Münzrecht der Gottheit und der priesterliche Ursprung des Geldes nur Altertümer von zweifelhafter Bedeutung und ohne praktischen Wert bilden. Dagegen kann gar nicht bezweifelt werden, dass das griechische Münzwesen, soweit seine Prägebilder in Betracht kommen, von der Religion in einer selbst im Mittelalter nicht übertroffenen Weise beeinflusst wird.
Es gibt, wenigstens in der älteren Zeit, kaum einen Typus, der nicht einen religiösen Sinn hätte, mag er sich nun als Attribut eines Gottes, als Wappen, als Naturprodukt oder selbst als Denkmal darstellen.
So entrollt sich vor unseren Augen die ganze hellenische Götterwelt (s. Abb. 38 ff.), „als hätte der Olymp sich aufgetan". Nicht nur die großen Götter ziehen an uns vorüber (auch sie wechseln häufig die Zeit, den Ort, die Gestalt und die Beinamen), in unübersehbarer Fülle drängen sich selbst die kleinsten Dämonen, Berg- und Feldgötter, Fluss- und Quellnymphen, die Gestalten der Fabel, wie Chimaera, Kekrops, Erichthonios schließen sich die Heroen an, wie Minos, Theseus, Philoktet u.v.a. Wir feiern die großen Feste mit, die einmal die ganze Welt der Griechen und einzelne Stämme an den heiligen Orten zum Kampf der Wagen und Gesänge, der Ringer und Läufer zusammenführten. Wir sehen die Wagen mit den „heißen Rädern" daher stürmen (s. Abb. 42, 43), die Athleten packen sich kräftig an. Als Preise winken Kränze und Waffen und die Nike ruht abwartend, wem sie das heißumstrittene Siegeszeichen reichen darf oder fliegt dem Glücklichen entgegen, den sie krönen wird. Es ist wirklich so: Diese Götter, heitere Wesen aus dem Land der Träume und Geschichten, haben die glücklicheren Menschengeschlechter inspiriert und beeinflusst!
In Rom ist von einem sakralen Charakter der Münze nicht viel zu merken, obwohl die allbekannte Erzählung, dass das älteste Münzgebäude der Tempel der Juno Moneta gewesen ist, besonders hier so etwas erwarten lassen würde. Wir wissen nämlich nicht genau, wer die Juno „Moneta" war. Die volksetymologische Erklärung als Mahnerin oder Beraterin führt ebenso wenig weiter als die alte Nachricht, sie sei die Mutter der Musen gewesen. Die neue Deutung, wonach die Römer die punisch-sizilianische Münzaufschrift „machanat" = Kriegslager einfach übernommen und als Münzbezeichnung verwendet hätten, ist nur sehr wenig überzeugend und nicht geeignet, die Wahl gerade des Junotempels zur Münzstätte zu erklären. So sind wir nicht einmal sicher, ob diese Wahl nicht bloß eine zufällige, von religiösen Erwägungen unbeeinflusste Auswahl gewesen ist. Später schuf man drei Münzgöttinnen, für jedes Metall eine. Mit ihren Füllhörnern und Wagen bilden sie ein sehr häufiges Gepräge der Kaiserzeit (s. Abb. 52). Im Übrigen äußert sich unter der Republik der Einfluss der Religion in der Bevorzugung von Götterbildern als Münztypen, ein Gebrauch, den auch die Münz-Triumvirn wenigstens für die Hauptseite in der Regel beibehalten und der selbst unter den Kaisern nicht ganz verschwindet.
In der Kaiserzeit vollendet sich aber auch eine Entwickelung, die schon lange vorher mit Alexander und dem Siegeszug des Hellenismus durch die Barbarenwelt begonnen hatte.
Waren einst in grauer Vorzeit Gottheiten des Morgenlandes in Richtung Westen gewandert, so zogen jetzt umgekehrt hellenische Götter nicht nur nach Italien, sondern auch in den Orient, der aber seinerseits auch religiöse Vorstellungen hatte. So wurden die großen Kulte Gemeingut der ganzen Welt und es entstanden wunderliche Mischungen von Glaubenssätzen und Götterbildern, die ihre Einzelheiten mal hier, mal dort ausliehen Auch die Münzen sind Denkmäler dieser Entwickelung. Nicht nur der Olymp bevölkert die Flächen der Münzen, sondern auch die übrigen Gottheiten nehmen von jeher teils persönlich, teils für ihre heiligen Abzeichen dieses Recht in Anspruch. Im Orient ist das Götterbild vom Anfang der Münzprägung an zwar nicht das ausschließliche aber ein hauptsächliches Gepräge, das sich nur mit dem Göttergleichen König diesen Ehrenplatz teilt. So finden wir schon auf Münzen persischer Satrapen den geflügelten Ahuramazda, der bärtige Melkart tritt in Aradus auf, das Haupt seines Rosses ist das karthagische Münzbild, das noch bis in die Zeit der Vandalen fortlebt. Der ägyptische Amun wird in Kyrene zum Jupiter Ammon ebenso umstilisiert, wie in Sizilien Flussgötter mit Stierköpfen nach Art des phönikischen Moloch in Jünglings-Gestalten, wobei in beiden Fällen kleine Hörnchen an die Metamorphose erinnern. Astarte, Anaitis und wie die Göttermutter mit den vielen Namen Vorderasiens noch heißt, zeigt sich im Geleit ihrer Löwen an vielen verschiedenen Orten. Buddha erscheint in der bekannten Stellung mit gekreuzten Beinen auf Münzen eines halb-griechischen Inder-Königs. Nur der Jahve der Hebräer lässt sich, entsprechend seinem strengen Bilderverbot, in Jerusalem durch die heiligen Symbole der Opferschale und des blühenden Lilien-Zweiges vertreten.
Rom zeigt sich tolerant gegenüber den unterschiedlichsten Glaubensformen, dies zeigt sich auch auf den römischen Münzen.
Bekanntlich hat das kaiserliche Rom, gegen alle Glaubensformen tolerant, außer gegen die christliche, zahlreiche fremde Gottheiten bei sich aufgenommen, zum Leidwesen eines Lucian, der die heilige Tafelrunde des Olymps durch die barbarischen, oft nicht einmal nach Menschenart gebildeten Ungetüme entweiht fühlte. Daher erlangen jetzt auch der tapfere Sonnenjüngling Mithra, der Lieblingsgott der Legionen, das kegelförmige Idol Elagabals und sogar der Glykon des großen Zauberers Apollonius von Tyana ein Bildnis-Recht im Reiche der Münzen und in Ägypten feiern uralte Götter der Pharaonenzeit ihre Auferstehung. Genauso wie auf einer Münze von Alexandria der Nil dem Tiber die Hand reicht, so vereinigt ein Kupferstück der Stadt Apamea in Phrygien die jüdische und die griechische Sintflut-Sage. Vor der Arche, auf der der Rabe sitzt und der die Taube mit dem Ölzweig zufliegt, steht, in der Beischrift mit Namen genannt, Noah mit seiner Frau. Im Vordergrund sehen wir Deukalion und Pyrrha. Dieser Vereinigung der heiligen Überlieferungen entsprechen öfter vorkommende wunderliche, synkretistische Göttergestalten. Ein Getreidemaß auf dem Haupt, ein Steuerruder und ein Zepter in den Händen, versinnbildlichen sie ein ganzes Pandämonium.
Als das Sehnen der Völker, von dem diese Münzen auch ein Zeugnis ablegen, erfüllt war und das Christentum seine Herrschaft antrat, haben die Münzen zunächst noch wenig Rücksicht auf den neuen Glauben genommen. Die gewohnten geflügelten Personifikationen des Sieges und Ruhmes blieben wie sie waren. Der Heide konnte in ihnen Göttinnen und der Christ Engel sehen. Erst um 400 nehmen sie zur Beseitigung dieses Zweifels ein langes Kreuz in die Hand, ein Münzbild, das sich dann bald allgemeiner Beliebtheit erfreut und noch lange in den Barbarenreichen, in Straßburg sogar noch im 13. Jahrhundert, nachgeahmt wird.
Das Christus-Monogramm dagegen erscheint schon unter Konstantin als Helm-Schmuck (s. Abb. 23), danach im Labarum dem Reichsbanner und schließlich auch selbständig als Hauptgepräge. Das Kreuz für sich allein ist dagegen weder auf den kaiserlichen Geprägen des Westreichs noch auf den Münzen der germanischen Reiche üblich. Für diesen immerhin bemerkenswerten Mangel entschädigt uns ein äthiopischer König aus dem Ende des 5. Jahrhunderts durch Münzen, die ein Kreuz mit der sinnigen Inschrift in griechischer Sprache tragen: „Möge dieses dem Lande wohl gefallen".
Außerordentlich religiös geben sich die Byzantiner. Sie nennen sich „rechtgläubige“ oder gar „in Gott rechtgläubige Könige“. Auch führen sie ihren Namen in einer Gebetsformel ein: „Christus (oder: Gottesmutter) hilf deinem Knecht Konstantin". Der Name des Heilands bildet mit der Titulatur König der Könige, auch für sich allein und in der Form Emmanuel, oft die einzige Aufschrift. Justinian II. (685-711) führt das Christus-Bild ein (s. Abb. 24), anscheinend, um den Mohammedanern die Nachprägung unmöglich zu machen. In der Tat lässt daraufhin der Kalif Abdul Melik unter eigenem Zeichen prägen und wie er mit diesen Münzen den Tribut entrichtet, erklärt ihm Justinian den Krieg, denn niemand habe das Recht eigene Goldmünzen zu prägen, als der Kaiser. Nach kurzem Verschwinden in der Zeit der Bilderstürmer unter Leo III. (717-741) erscheint dann der Heiland häufig in ganzer Figur, sitzend oder stehend mit segnend erhobener Hand. Unter Johannes Zimisces (969-976) treffen wir auch die Gottesmutter mit und ohne das heilige Kind, einmal mit der höchst merkwürdigen, als Hexameter gebildeten Aufschrift: „Jungfrau, Du viel gepriesene, wer Dir traut, alles gewinnet". Auch andere Heilige (Eugenios, Georgios) kommen vor. Hinzu kommt selbstverständlich das Kreuzbild als Zierrat und Symbol in verschiedener Verwendung, oft auf zwei Stufen erhöht, letzteres ein Gepräge, das im Reich der Franken viel kopiert worden ist. Sonst zeichnen sich die Franken nicht gerade durch besonderen Reichtum an religiösen Geprägen und Inschriften aus, was bei ihren Prätensionen (ein neues auserwähltes Volk zu sein, man denke an das Wort: „Gesta dei per Francos") immerhin auffallend ist.
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