Die Medaillenkunde bildet einen wichtigen Zweig der Numismatik. Sie beschäftigt sich mit den Medaillen oder Denkmünzen insoweit, als sie zur Erinnerung an bestimmte Begebenheiten oder Personen angefertigt, oder als Gegenstände der kleinen Plastik von kunsthistorischem Interesse sind. Die Medaillen dienen heute in der Regel nicht, wie die gewöhnlichen Münzen, als Zahlungsmittel, doch kommt es bisweilen, wie bei den deutschen Siegestalern von 1871 und den bayerischen Geschichtstalern, vor, dass sie zugleich als Geldstücke ausgeprägt werden. Anders war es bei den Münzen der römischen Republik, deren Typen und Umschriften, wie wir zuvor gesehen haben, zahlreiche historische und andere Beziehungen enthalten und die daher fast durchgängig einen medaillenartigen Charakter tragen. Dieselben werden daher, zumal sie sich durch ihre größere Stärke und ihr Relief von den kleinen und dünnen mittelalterlichen Münzen unterscheiden, noch heute von den Franzosen, welche sich schon im fünfzehnten Jahrhundert mit der antiken Numismatik beschäftigten, nicht „rnonnaics“, sondern „maailks romaines“ genannt. Eigentliche Denkmünzen, im jetzigen Sinne dieses Worts, waren indessen bei den Römern nur die am Schluss des § 14 erwähnten Medaillons. Während des Mittelalters wurden die ersten großen Medaillen in Italien angefertigt, denn dort war es, wo die Kunst eine Weile brach lag, an den antiken Vorbildern sich sehr schnell wieder erholten. Die ältesten uns bekannten italienischen Erinnerungsmedaillen sind um das Jahr 1390 von Franz Carara auf die Eroberung von Padua hergestellt. Gegen Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts erreichte die italienische Medaillenkunst, welche hauptsächlich von Malern ausgeübt wurde, ihre höchste Blüte. Die Medaillen, meist von Kupfer, wurden nach einem in Wachs oder dergleichen hergestellten Modell gegossen und dann in der Regel mit dem Griffel leicht überarbeitet. Unter den Künstlern war es vorzugsweise Pisano, welcher auf dem gedachten Gebiete die schönsten Werke schuf. Auf seinen Medaillen sind die Bildnisse der kunstinteressierten Fürsten, welchen für gewöhnlich die Hauptseite gewidmet ist, von unverkennbarer Lebenswahrheit, während die sonstigen, meist auf die Verherrlichung derselben bezüglichen Darstellungen der Rückseiten sich durch Großartigkeit der Komposition und durch künstlerische Ausführung auszeichnen. Zu den schönsten Werken Pisano's gehören die Medaillen auf Johannes VIII. Paläologus, den vorletzten Kaiser von Konstantinopel, Alphons den Weisen, König von Neapel und Malatesta Novellus. Sämtliche genannten Medaillen sind durch die Aufschrift „OPVS • PISANI • PICTORIS“ als Werke Pisanos gekennzeichnet. Andere Künstler der in Rede stehenden Periode, welche bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts reicht, waren Matthäus de Pastis, Sperandeus, Andreas Guazzaloti, Johannes Boldu, Marescotto etc.
In Deutschland entwickelte sich die Medaillenkunst erst im 16. Jahrhundert mit Beginn der Renaissance, also weit später, als in Italien, und zwar waren es bei uns meist die Goldschmiede, welche diese Kunst ausübten. Die Herstellung der deutschen Medaillen erfolgte ebenfalls durch Guss, man schnitt zu diesem Zweck Modelle aus Speckstein, Holz oder anderen weichen Materialien. Dann fertigte man nach für diese Modelle Formen an, goss in diese Formen das Metall und unterwarf schließlich dieser gewonnenen Kopien einer leichten Ciselierung. Die deutschen Medaillen der Renaissancezeit sind größtenteils Portrait-Medaillen und erregen durch die lebenswahre und charakteristische Auffassung der Bildnisse, zierliche Ausführung und sinnige Darstellung der Kehrseite noch heute unsere Bewunderung. Sie wurden in edlen wie unedlen Metallen, aber immer gleich schön hergestellt und dienten vornehmlich zu Geschenken. Die von geringerem Metall widmete man sich gegenseitig zur Erinnerung, etwa wie heute die Fotografien; die von edlem Metall dienten als Schmuck der Paten oder wurden von den Fürsten als „Gnadenpfennige" verliehen und an goldenen Ketten auf der Brust, am Barett oder auf andere Art als Schmuck getragen. Während in Italien die Medaillenkunst unter dem Schutz kunstwerkorientierter Fürsten sich zu hoher Blüte entwickelte, fand dieselbe in Deutschland vorzugsweise in den freien Reichsstädten ihre Heimstätte und wurde dort von den reichen Patriziern gepflegt. Aber auch von manchen kunstwerkorientierten deutschen Fürsten besitzen wir aus der Renaissancezeit höchst kunstvolle Bildnis-Medaillen, besonders von Albrecht von Brandenburg, Kardinal und Kurfürst von Mainz, ferner von den Pfalzgrafen in Heidelberg und von den sächsischen Fürsten. Unter den Städten sind es besonders Augsburg und vor Allem Nürnberg, welche ausgezeichnete Medailleure besaßen. Auch von Albrecht Dürer (1471-1528), welcher bekanntlich auf verschiedenen Gebieten der Kunst gleich Vortreffliches leistete, gibt es einige (einseitige) Medaillen: Eine mit dem Brustbild des Vaters des Künstlers und eine mit einem von vorn und im flachsten Relief meisterhaft dargestellten weiblichen Kopf, in welchem man das Portrait von Dürers Frau, Agnes Frei, erkennen könnte. Im Übrigen sind uns die Namen der Künstler aus der Zeit der deutschen Frührenaissance fast gänzlich unbekannt, da sie dieselben fast nie und ihre Monogramme nur selten auf die Medaillen setzten. Aus der Spätrenaissance sind als Medailleure ersten Ranges zu nennen Friedrich Hagenauer in Augsburg, Jacob Stampfer in Zürich ( † 1579), Wenzel Jamnitzer, der berühmte Goldschmied in Nürnberg († 1586), Valentin Maler ebendaselbst († 1603) und der Breslauer Goldschmied Tobias Wolff, welcher im Jahre 1574 vom Kurfürsten August von Sachsen nach Dresden berufen wurde und dessen vorzügliche Arbeiten erst später ans Licht kamen. Im Allgemeinen begann jedoch die Modellier-Kunst gegen Ende des 16. Jahrhunderts allmählich zu sinken. Gleichzeitig ging man dazu über, immer mehr von der auch früher schon geübten Prägung der Medaillen Gebrauch zu machen, bis schließlich mit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts die Sitte, die Medaillen im Wege des Gusses und der Ciselierung herzustellen, ganz verschwand und damit auch die frühere Eigenartigkeit und Freiheit der Kunst verloren ging. Unter den demnächst geprägten deutschen Medaillen sind zwar noch viele, wie namentlich diejenigen auf Gustav Adolph, den großen Kurfürsten und König Friedrich den Ersten von Preußen, von recht guter Arbeit. Dagegen sind die Medaillen der darauf folgenden Barock- und Zopfzeit, insbesondere auch diejenigen Friedrichs des Großen, meist schlecht und geschmacklos ausgeführt und nur noch durch die auf denselben dargestellten Personen von Interesse. Seit Anfang dieses Jahrhunderts hat die Medaillenkunst zwar wieder einen bemerkenswerten Aufschwung genommen, doch vermögen unsere heutigen Medailleure einen Pisano und die alten italienischen und deutschen Künstler noch nicht zu erreichen. Die wichtigsten Werke über Medaillenkunde sind Heraeus, Bildnisse der regierenden Fürsten und berühmten Männer vom vierzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert in einer Folgereihe von Schaumünzen, Wien 1826, und das gegenwärtig erscheinende Prachtwerk J. Friedländers, die italienischen Schaumünzen des fünfzehnten Jahrhunderts.
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