Die kirchlichen Plastiken & die Münzbilder

Der weitgehende Einfluss der Kirche machte im 12. und 13. Jahrhundert das Gepräge der Münzen der Kunstrichtung und dem Geschmack der Zeit vielerorts in einer Weise dienstbar, die uns nur als eine vollständige Verfehlung des Zwecks und der Bedeutung der Münze und ihrer Prägebilder erscheinen kann. Die kirchliche Kunst hatte sich im Anschluss an verschiedene Bibelstellen (Ezechiel 1, 10 ; Offenbar. 4, 6. 7) schon frühe der aus Babylon überlieferten Gestalt der Cherubim bemächtigt, die Mensch (Engel), Löwe, Stier und Adler vereinigt. Diese vier Wesen wurden in der byzantinischen Kunst mit den Bildern der Evangelisten nicht nur in der Weise vereinigt, dass jeder von den letzteren einen der ersteren zum Begleiter erhielt, sondern die Heiligen wurden mit ihren Begleitern zu einer Gestalt verschmolzen, die auf einem Menschenleib den Kopf eines Löwen, Stieres usw. zeigte. Solche Verbindungen nicht zusammengehörender Stücke artete im 11. Jahrhundert in der kirchlichen Architektur und Skulptur in einer Weise aus, die nicht besser als mit den zornigen Worten in einer Predigt des heiligen Bernhard ausgedrückt werden kann: „Was tut denn in den Klöstern vor den mit Erbauungsbüchern beschäftigten Brüdern jene lächerliche Ungeheuerlichkeit, ein Wunder an mißgestalteter Schönheit und schöner Mißgestalt? Was wollen da die unreinen Affen? Die wilden Löwen? Die ungeheuren Centauren, die Halbmenschen, die gefleckten Tigertiere? Was wollen die kämpfenden Krieger, die hornblasenden Jäger? Du kannst unter einem Haupt viele Körper, auf einem Körper viele Häupter erblicken, an einem Vierfüßler einen Drachenschwanz, auf einem Fisch den Kopf eines Landtieres. Ein Untier gibt sich als Pferd zu erkennen, schleppt aber eine halbe Ziege beiseite, ein anderes trägt Hörner und hat das Hinterteil eines Rosses. Überall zeigt sich eine so große und so wunderliche Mannigfaltigkeit der verschiedenen Gestaltungen, daß es mehr Freude macht, in den Bildhauerwerken als in den Büchern zu lesen."

So ziemlich sämtliche hier geschilderten Bilder und noch viele mehr finden wir auch auf den Münzen wieder, deren Eisenschneider mit den Bildhauern in der Erfindung seltsamer Gestalten und abenteuerlicher Zusammensetzungen förmlich gewetteifert zu haben scheinen. Da sind nicht nur die kämpfenden Krieger und ins Horn blasenden Jäger, auch Centauren, bewaffnet mit Schwert, Speer oder Axt und dem Schild stellen sich ein, wir sehen drachen-artige Ungetüme, die einen Menschenkopf tragen, Adler mit Löwenkopf, auf ihren Flügeln aufgerissene Rachen u. v. a. Ziemlich häufig ist ein Geschöpf, das einen menschlichen Oberkörper mit zwei Fischschwänzen verbindet, die es seitlich symmetrisch ausstreckt und mit den Händen zierlich anfasst. Eine polnische Münze gibt ihm in der Beischrift den klassischen Namen Sirena aber dieses Wesen scheint doch mehr von dem deutschen Wassermann an sich zu haben, weil es auch oft eine Krone trägt. Besonders wunderlich ist seine weitere Ausgestaltung, die die Fischschwänze wie zwei vierfüßige Tiere bildet (s. Abb. 57). Dazu dann noch zahllose Ungeheuer, bei denen der Versuch zoo-, mythologischer Enträtselung völlig aussichtslos ist, beispielsweise Drache, Basilisk, Greif und wie all die Fabelwesen des Abend- und Morgenlandes heißen, haben hier Modell gestanden. Auch den alttestamentlichen Recken Simson finden wir wiederholt in dieser Gesellschaft, wie er den Löwen zerreißt oder die Säulen nieder wirft. Solche Münzen, deren öfters versuchte Deutung auf dieses oder jenes geschichtliche Ereignis nicht eindringlich genug zugeordnet werden kann, kommen besonders zahlreich in Bayern vor, wo scheinbar der Ursprung dieser Münzen liegt und von wo sie nach Österreich, Polen, Böhmen, Ungarn, ganz vereinzelt auch nach Schlesien und Brandenburg vorgedrungen sind. Es ist also das südöstliche Europa, das seine künstlerischen Anregungen aus Nordfrankreich erhalten hat, dort hat man sich scheinbar, wohl unter dem Einfluss eines verständigen Handels, von dem Unfug (anders kann man es nicht nennen) sie als Münzbilder zu verwenden ferngehalten.

Die Brakteaten!

Um dieselbe Zeit erwies sich in anderen Gegenden unseres Vaterlandes der Einfluss der Kunst auf die Münzprägung weitaus glücklicher und günstiger. Wir meinen die Brakteatenprägung. Über diese eigentümliche Münzgattung sind in früheren Zeiten außerordentlich viele und seltsame Geschichten verbreitet gewesen. Man konnte sich ihre Erscheinung nicht erklären, suchte ihre Vorbilder in den schüssel-förmigen Münzen von Byzanz oder dein Italien der letzten Karolinger und erblickte in ihrer Prägung ein Zeugnis für die Unfähigkeit der Eisenschneider des 12. Jahrhunderts. Man hat da einmal wieder den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen und sich selbst ein Armutszeugnis ausgestellt. Bei einer guten Berücksichtigung der Zusammenhänge wird diese Erscheinung schnell verständlich.

Die Münze wurde immer größer und leichter, dies macht sie jedoch äußerst instabil!

Der gegen Ende des 10. Jahrhunderts vornehmlich im Harz, in Meißen und weiten Gebieten Süddeutschlands einreißende Brauch, den Schrötling der Münze immer mehr zu vergrößern, ohne jedoch sein Gewicht zu erhöhen, schuf die überaus dünnen Stücke, deren Gepräge beiderseits durchdrücken, so dass oft keines von ihnen, bestenfalls aber nur das eine Gepräge sichtbar und kenntlich wird. Da war es ein Fortschritt, dass man, um diese Schande zu vermeiden, nur mit einem Stempel prägte. Man näherte sich damit einer Technik, die die Goldschmiede seit uralter Zeit verwendeten, indem sie in Gefäß, Beschläge und dergleichen mittels Punzen oder umfänglicherer Stempel Verzierungen eindrückten. Besonders weit war man im Norden in dieser Kunst gekommen, wo die Goldschmiede schon in der Völkerwanderungszeit die sogenannten Schmuckbrakteaten anfertigten. Dies sind bis zu 12 cm breite Goldbleche, in Form dünner Münzen mit auf der einen Seite erhaben hervortretenden, auf der Rückseite vertieften Darstellungen, meist Nachahmungen römischer Goldstücke, die als Beute ins Land gekommen waren.

Die Schmuck-Brakteaten!

Aber auch mit Bildern eigener Erfindung und in einheimischem Geschmack, die zwar noch nicht völlig gedeutet sind aber Beziehungen auf Odin, sein Ross und seine Raben, sowie auf Thor und seine Böcke erkennen lassen. Im Feld erscheinen fast immer verschiedene Zierraten, auch das heilige Sonnenzeichen kommt häufig vor. Das Ganze ist von oft zahlreichen Rändern in verschiedenster Ornamentik umgeben, wie sie sich auch bei den römischen Medaillons antreffen ließen. Solche Schmuckbrakteaten mit schönen figürlichen Darstellungen und sauberen Inschriften besitzen wir auch aus christlicher Zeit: bei Wallstena auf Gothland fand man ein Stück mit dem Bilde des Weltenrichters und der Aufschrift „Majestas", dahinter der Name des Künstlers: „Oti me fecit"; eine Bronzeschüssel zeigt das 6,5 cm große Brustbild eines Kaisers Otto in der uns von den Siegeln her bekannten Haltung mit der Umschrift: „Hierusalem visio pacis"; ähnliche Zierscheiben sieht man an Kreuzen, Buchdeckeln und Reliquiaren. Den Münzen noch näher stehen zwei, bei Klein-Roscharden in Schleswig gefundene, Stücke mit dem Bilde des deutschen Königs Heinrichs I., die augenscheinlich als Gewand-Nadeln gedient haben (s. Abb. 58). Auch aus dem 11. Jahrhundert kennt man in derselben Technik hergestellte Erzeugnisse, die wie besonders groß ausgefallene Pfennige aussehen aber ebenfalls hohl geprägt sind. Sehr rasch erkannte man die großen Vorteile der neuen Präge-Weise, die das Münzgeschäft um die Hälfte einfacher gestaltete und den Eisenschneidern zugleich ein größeres Feld zur Verfügung stellte. In der Blütezeit messen die Brakteaten über 3,5 cm, haben also Taler bis zu der Größe eines Fünf-Mark-Stücks.

Die Brakteaten werden im 12. und 13. Jahrhundert zu kleinen Kunstwerken!

Und die Künstler des 12. und 13. Jahrhunderts haben (das Zeugnis dürfen wir ihnen geben) diese Gelegenheit zu nützen verstanden und haben eine Fülle köstlicher kleiner Kunstwerke geschaffen, die sich dem Besten, was ihre Zeit sonst auf irgendeinem Gebiet geleistet hat, getrost an die Seite stellen können, auch wenn die offizielle Kunstgeschichte von ihnen bisher noch keine Kenntnis genommen hat. Die Brakteatenprägung verbreitete sich rasch über ganz Norddeutschland, eroberte Hessen und Schwaben von Ulm und Augsburg bis nach Zürich und Straßburg und ließ nur die niederrheinischen Gebiete sowie Bayern, Franken und Österreich frei. Drei Landschaften haben die wunderbarsten Erzeugnisse, das Größte, was die mittelalterliche Prägekunst überhaupt je geleistet hat, geschaffen. Drei Landschaften, jede von ihnen ein Mittelpunkt der Geschichte und ein Schauplatz höchster Entwickelung der Kultur. Voran steht der Harz, seit Otto dem Großen der Sitz eines lebhaft betriebenen Bergbaues von Silber, von den mächtigen und reichen Kirchenfürsten von Magdeburg, Halberstadt und Hildesheim, ebenso wie von den gefeierten Recken „Hinrik de Leuw und Albrecht de Bar, darto Frederik mit dem roten Haar" und ihren trotzigen und wilden Vasallen umworben und begehrt. Im Schlachtgewand stehen sie vor uns, „diese großen Herren, die tun die ganze Welt verkehren", das Haupt trägt den hohen, mit Nasenschirm versehenen Helm, an dem bis zum Knie reichenden Panzerrock ist jeder noch so kleine Ring peinlich genau ausgeführt, um die Schulter schlingt sich der wallende Mantel, die Linke hält den gewaltigen, fast mannshohen Schild, die Rechte führt das lange Schwert mit der tiefen Blutrinne oder die Fahne, mit breitem, löchrigen Tuch (s. Abb. 59). Heldenhaft gibt sich auch der Schutzheilige von Magdeburg, der heilige Mauritius, einst der Führer der thebaischen Legion und aus diesem Grund völlig als ein Kriegsmann gekleidet, den Fürsten und Herren der Nachbarschaft zum Verwechseln ähnlich. Lediglich deutet der Palmzweig oder die Krone des ewigen Lebens, ehrfürchtig nicht mit der bloßen Hand sondern geschützt durch ein Tüchlein gehalten oder die segnende Rechte auf den verklärten Märtyrer. Friedlicher sind die Gepräge der Bischöfe von Halberstadt und Hildesheim und der Äbtissinnen von Quedlinburg, Gernrode aus Nordhausen aber dafür setzen einzelne unter ihnen das Bild ihres geharnischten und mit dem Schwert verzierten Vogtes neben sich oder allein auf den Pfennig, gleichermaßen ein Zeichen dafür, dass auch sie in dieser wilden Welt der Waffen nicht ohne irdischen Schutz sind. Friedlich mutet uns auch die Gruppe der Brakteaten an, welche wir nach ihrem Hauptfundort als die Odenwälder bezeichnen. Ihre Heimat sind Frankfurt a. M., Gelnhausen und der Umkreis und der Blütezeit kaiserlicher Macht und hohenstaufischen Glanzes verdanken sie ihren Ursprung. Da sitzen sie in feierlicher Haltung vor uns im faltenreichen Festgewand, auf dem Haupt die Krone, in den Händen Zepter und Reichsapfel, manchmal thront neben ihnen auch noch die Gattin in gleichem Schmuck. (s. Abb. 60). Ein Abglanz von der Herrlichkeit des Kaisers, der zugleich ein Sänger und ein Held, noch bis heute im Herzen seines Volkes lebt und jenes im Lied gepriesenen Fürstentages vom Jahre 1184, da der Jungkönig Heinrich im goldenen Mainz die Ritterpromotion empfing.

Die Brakteaten zeigen auch kriegerische Abbildungen!

Kriegerisch ist dann wieder die dritte Gruppe, die der thüringischen Landgrafen und ihrer Männern (s. Abb. 61). Stattliche Reitergeschwader ziehen an uns vorüber, auf gepanzerten Pferden der gepanzerte Herr, niedrig die Helmkappe, am Arme der kleinere Reiterschild mit dem Landeswappen, dem Löwen, oder dem besonderen Abzeichen des Herren, in der Hand der lange Speer mit der Fahne, ein Kreuz oder sonstiges Abzeichen. Frau Sälde und Frau Minne trauern einsam auf der verlassenen Wartburg, die sich in den damaligen Tagen zum ersten mal als Hort deutschen Geisteslebens hervortat, gen Osten geht die Fahrt, zum Lande des heiligen Grabes, das für so manchen unter diesen Edlen und Fürsten auch nur ein Grab bereit hält. Unter solchen Erinnerungen diese unvergleichlichen Reihen musternd, freuen wir uns, die Kunst des Stempelschneiders sich an umfänglichere, bildliche Darstellungen wagen zu sehen, wie sie ihr bis dahin noch fern lagen. Zwei Halberstädter (s. Abb. 62) zeigen uns in übersichtlicher und perspektivischer Gruppierung das Martyrium des heiligen Stephanus. Im Vordergrund bricht der zu Tode getroffene Heilige zusammen, Haupt und Hände zu der von oben erscheinenden Herrlichkeit Gottes erhoben, um ihn herum vier Männer, die Steine in den Bäuschen ihrer Gewänder und in den Händen tragen und ihr Werk vollenden. Ein drittes Stück derselben Reihe setzt diese Darstellung fort. Der Körper des Opfers ruht lang ausgestreckt am Boden, von Steinen überdeckt, darüber schweben zwei Engel, die die, mit dem Heiligenschein geschmückte, Seele gen Himmel führend. In ungezwungen vornehmer Haltung treten Markgraf Albrecht der Bär und seine Gattin Sophie vor den Betrachter (s. Abb. 14), gemeinsam die Fahne, das Zeichen der Herrschergewalt, haltend. Herzog Bernhard thront, dem Kaiser den Treueid als Herzog leistend, über dem Wappentier seines überwundenen Feindes, dem braunschweiger Löwen, neben ihm zwei Edle mit den Insignien seiner Macht, Schwert und Fahne (s. Abb. 63). Die Quedlinburger Äbtissin erscheint in Begleitung von vier ihrer geistlichen Schwestern, Adam und Eva sitzen unter dem Baum der Erkenntnis, den die Schlange umwickelt (s. Abb. 28). Hervorragende Münzen prägt man mit Tierbildern. Da ist neben dem Kranich des Luteger (s. Abb. 21) der prächtige Falke auf Falkensteiner Pfennigen (s. Abb. 64), der so stolz seinen Kopf zurücklegt, als wüsste er, dass er in seiner Art einen Vergleich mit den Adlern von Elis nicht zu scheuen hat. Ganz besonders aber gelingen den Eisenschneidern die heraldisch stilisierten Tiere, deren etwas steifere Haltung ohne weiteres der romanischen Kunst entspricht. Der braunschweiger Löwe (s. Abb. 15), der Goslarer Adler, der Greif von Lobdeburg u. a. erscheinen oft in geradezu mustergültiger Stil-Gerechtigkeit. Hervorragendes Geschick verraten auch die Architekturen. Sonst bieten ja die Gebäude auf mittelalterlichen Münzen nicht allzuviel Interesse, sondern sind in derselben Zeit und Gegend meist ziemlich gleichförmig gezeichnet, und zwar ohne Perspektive, so dass z.B. die auf rheinischen und westfälischen Pfennigen des 13. Jahrhunderts scheinbar dargestellte breite Säulenhalle mit einem Turm in der Mitte als ein von einem Turm überragtes und von Säulen beiderseits umgebenes langes Kirchenschiff aufzufassen ist.

Auf den Brakteaten sind sogar Bauwerke zu erkennen!

Die Künstler der Brakteatenzeit aber verstanden es sogar, oder versuchten es zumindest nicht ganz ohne Erfolg, ein Gebäude perspektivisch darzustellen, in dessen Mitte sie ihren Herzog oder ihre Äbtissin thronen ließen. Scheinbar über dem Dargestellten erhebt sich ein bogenförmiges Mauerwerk, das hinter ihnen erstrecken soll. Generell wird das Bild des Fürsten, des Heiligen, des Wappentieres gern in Verbindung mit einem Gebäude gebracht. Es thront schützend über ihm, es schaut ruhig aus seinen Fenstern, es tritt wachsam in seine Tür. Die Architektur bildet zumindest einen Rahmen, ein zierliches Geländer zur Ausschmückung und Füllung des Raumes (s. Abb. 15, 21, 28, 59 ff., 64). Die Palme unter diesen Stücken dürfte ein Brakteat Ottos I. von Brandenburg durch Reichtum der Formen verdienen. Die hier dargestellte umfangreiche Architektur, eine stattliche Burg mit Ringmauer, Palas, Bergfried und dem Barbicane genannten Vorbau ist viel zu schön, um als Abbild des recht dürftigen Schlosses zu Brandenburg, Salzwedel oder wo sonst der Fürst residiert haben mag, gelten zu können. Vielleicht erfüllten die Vorstellungen des Stempelschneiders jener Himmelsburgen, die als Walhall, Montsalvatsch und himmlisches Jerusalem die Sehnsucht der Jahrhunderte waren. Reiche Phantasie hat endlich auch das Bei- und Zierwerk gestaltet, denn auf dem Rand prangen Blattranken, das so sehr beliebte Motiv romanischer Kunst, zierliche Ringe, zur Kette aneinander geschlossen, verschiedene Arten von Strichelung, die auf Lausitzer Pfennigen sogar an die Verzierungen vorgeschichtlicher Topfware erinnert. Auch erscheint das Münzbild in den, der Kunst sonst geläufigen, bogigen Einfassungen: Drei-, Vier-, Sechspass usw. und in dem frei bleibenden Feld finden sich dann nochmals Ringe und Striche aller Art in wechselnder Anordnung (vgl. Abb. 11, 12, 18, 59 ff.). In dieser reichen Ausgestaltung der Einrahmung und des Beiwerks zeigt sich ein Zug der Zuwendung zu der Kunst des Schreibers und Malers, die damals eng zusammen gehörten und in den oft höchst kunstvollen Miniaturen der Handschriften gemeinsam ihre Triumphe feiern. Diese Zuwendung ist keine besondere Eigentümlichkeit der Brakteaten-Prägung, sie findet sich ganz allgemein ausgesprochen in der überaus häufigen Verwendung von Buchstaben als Münzbild und Randverzierung, der großen Beliebtheit rein dekorativer Muster und symmetrischer Darstellungen ohne individuelle Bedeutung, endlich in dem häufigen Vorkommen von Vexierbildern und Spielereien. Wir sehen eine Mauer, deren Gefüge sich wie Schriftzeichen ausnimmt, Türme und Schilde werden bei genauerer Betrachtung zu Gesichtern, in Buchstaben verbergen sich kleine Köpfe, eine Darstellung bleibt aufrecht oder auf dem Kopf stehend dieselbe. Von den großen Brakteaten jedoch machen einzelne (vgl. Abb. 14, 21, 28 u. a.) geradezu den Eindruck einer Malerei. So erinnert z. B. ein Stück mit dem den Falken auf der Faust haltenden Thüringer Landgrafen in ganzer Figur aufs lebhafteste an die Bilder der Manesseschen Handschrift oder des „hortus deliciarum“. Betrachtet man dazu die große Gleichförmigkeit, die bei allen durch die Macharten gegebenen Unterschieden den Münzen anhaftet, dann ist der Gedanke vielleicht nicht zu weit hergeholt, dass die mittelalterlichen Münzer, wenigstens an einzelnen Orten, wo der Betrieb durch Hausgenossenschaften im Besitz einer alten Überlieferung war oder von kunstverständigen Männern geleitet wurde, Musterbücher zur Verfügung gehabt haben, die ihnen von Handschriften-Malern angefertigt worden waren.

Die deutsche Brakteatenprägung wurde sehr bald in verschiedenen auswärtigen Ländern übernommen. Die Skandinavier besaßen sie allerdings, wie bemerkt, schon früher und hatten außer ihren Goldbrakteaten auch brakteaten-förmige Münzen, doch haben sie deren Prägung bei weitem nicht auf die Höhe der deutschen zu heben vermocht. Ihre Erzeugnisse sind kleine, unansehnliche Pfennige mit einfachen Darstellungen und selbst die gelungensten Stücke des 12. und 13. Jahrhunderts können auf eine besondere Beachtung an dieser Stelle kaum Anspruch haben. Polen bekam seine Brakteatenprägung auf dem Weg über Magdeburg, dessen heiligen Moritz es munter kopierte. Es vermehrte seinen Bilderschatz mit einigen Zutaten aus dem Überfluss der breiten bayerischen Denare mit den Ungetümen der kirchlichen Kunst, dem Cefitaur, Meermann, Simson und dem Drachenkämpfer, in dem man wohl einen einheimischen Helden, den Palatin Krakus, darstellen wollte. Nach Böhmen kam die Brakteatenprägung auf dem Weg über Meißen und die Lausitz, wo die Könige ansehnliche Besitztümer hatten.

Die Qualität der Brakteaten sinkt stetig!

Hier bedeutet sie höchst merkwürdiger Weise einen Niedergang in der Kunst. Denn im 12. Jahrhundert hatten die Böhmen zweiseitige Denare mit oft geradezu entzückenden kleinen Bildchen geprägt, die auf einem nur 17 mm messenden Raum ungefähr alles zeigten, was die Brakteaten im doppelt so großen Maße darstellen (s. Abb. 81) und die, weil fast durchweg der geschichtlichen Erinnerung gewidmet, im vorletzten Abschnitt zu besprechen sind. Jetzt schlug man in den verschiedenen Teilen des Reiches nach sehr verschiedenem Muster plumpe Stücke mit einfachen, meist roh ausgeführten Darstellungen.

Besonders merkwürdig ist die Geschichte der Brakteatenprägung in Schlesien. Zwar waren sie selbst Piasten, dennoch standen die Fürsten dieses Landes mit ihren polnischen Vettern in nicht sehr guten Beziehungen. So lies es sich erklären, dass sie ihre Brakteaten nicht aus Polen oder mit Polen gemeinsam erhalten haben, sondern für sich allein. Die ersten schlesischen Brakteaten sind, wie die Darstellungsweise und manche Einzelheiten, z. B. das Pfeilhohenkreuz, zweifelsfrei beweisen, von Münzern aus dem Harz geschlagen worden. Allmählich überwiegt aber doch die polnische Präge-Weise: schlesische und polnische Pfennige sind, wenn überhaupt, dann nur mit großer Mühe zu scheiden. Die Breslauer Stempelschneider haben damals recht hübsche Arbeiten geliefert, zierliche Bilder des Herzogs und seines Schutzheiligen, des Täufers, oft im Rahmen gefälliger Bauwerke, sogar an Darstellungen der Kardinaltugenden Caritas Fides und Justitia haben sie sich mit ihren nur 18 mm großen Münzchen gewagt. Ihre Kunst, wie überhaupt die den Deutschen verdankte Blüte, erregte den von nationalpolnischem Widerwillen gegen die Einwanderer gesteigerten Neid des oberschlesischen Herzogs Mesko. Sein Eisenschneider setzte demonstrativ um ein Bildnis von ungewisser Bedeutung die Aufschrift „Milost", die polnische Übersetzung von Caritas. Um das Jahr 1220 änderte Herzog Heinrich I. den Münzschlag, indem er die böhmische Prägeweise annahm. Ihn verband mit König Ottokar I. nicht nur Verwandtschaft, sondern er erhielt von ihm auch wertvolle Rechtsbelehrung für seine Bergwerke. Von diesen überaus zahlreichen Geprägen, die bis etwa 1290 reichen, schweigt der allgemeine Kunstrichter. Als Erzeugnisse der Plastik in einem sonst an gleichzeitigen Denkmälern nicht allzu reichen Land verdienen aber auch diese Gepräge Beachtung. Wenn wir dann noch einen Blick auf die erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts einsetzende, also etwas nachhinkende und übrigens auch künstlerisch durchaus belanglose Brakteatenprägung in Ungarn werfen, so dürfte dieses Kapitel aus der Kunstgeschichte der Münzen zum Schluss kommen. Die Blütezeit der Brakteaten war kurz, wie einst die der griechischen Prägung. Schon bald nach 1200 wird der Stil überall roher, die Arbeit immer flüchtiger und die kaiserlose Zeit tötet auch diese Schönheit. Es überwiegen jene grässlichen Ungeheuer, die riesigen (45 mm) Meißner mit ihren ewigen, glotzenden Markgrafenbildern, in den Münzstätten der Lausitz zu knopfförmiger Gestalt oder besser zur „Un-Form“ eines verbeulten und zerschlissenen Hutes entartend. Anderwärts fabriziert man ganz kleine Stücke, auf denen eine Inschrift selbstverständlich keinen Platz mehr findet. Hier leisten das Äußerste die großpolnischen und kujawischen, oft nicht ein Zehntelgramm schweren Pfennige, wirklich eine „ganz verworfene Sorte Spreu von Geld", die „beim leisesten Zuglüftchen auf und davon fliegt". Trennen wir uns nun jedoch von dem betrübenden Bild, wie ein Kunstzweig, der einst einen Gipfel bezeichnete, zum tiefsten Tiefstand herabsinkt. Im übrigen sind die Fälle, wo die Mittelaltermünzen Gelegenheit zu interessanten kunstgeschichtlichen Beobachtungen und Zweifelsfragen bieten, hiermit durchaus nicht abgeschlossen. So könnte man z. B. einmal eine Münzreihe von gleichbleibendem, nur in den Beizeichen wechselndem Gepräge mit einer Münze aus dem Altertum vergleichen, etwa die Löwenpfennige der Stadt Braunschweig mit den Reiter-Didrachmen von Tarent. Auf der einen findet man die wundervollen zierlichen Bildchen einer künstlerisch waltenden Schaffenskraft und auf der anderen die plumpen, hausbackenen Gegenstände, wie beispielsweise eine Axtklinge, ein Würfel, eine Glocke, Spange, Eichel, am Schluss die große Stadtbüchse, die unter dein verlesenen Namen „faule Grete" historisch gewordene „faule Mette". Bei den Doppelbildern gedenken wir merkwürdiger Spielereien mit nach oben und unten gleichen Doppelbechern, wie sie selbst die Phantasie eines Dürer beschäftigten. Auf den Denaren des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden (1238-1261), unter dem der Bau des Kölner Domes begann, sieht man einen plötzlichen Wechsel im Stile des Kirchengebäudes vom Romanischen zum Gotischen. Frankreich und Italien sind schon im frühen Mittelalter im Besitze einer hochentwickelten Kunst, trotzdem zeichnen sich ihre gleichzeitigen Münzreihen weder durch Reichtum der Erfindung noch durch Phantasie in der Ausgestaltung oder sonst irgend welche Schönheit aus, die französischen gehören sogar zu den hässlichsten ihrer Zeit. Jedoch verdienen auch die nachgeahmten und entlehnten Münzbilder ernsthaftes Studium. In den Darstellungen der Kulturgeschichte erschallt noch immer die doch schon recht misstönig gewordene Weise „ex oriente lux" von dem gewaltigen Einfluss der Kreuzzüge auf die gesamte Kultur des Mittelalters, wie sie dem Abendland nicht nur die Welt des Orients eröffnet, sondern auch die Schätze der Antike aufs neue zugeführt haben. Unsere Münzen zeigen uns von alledem nichts. Sie stehen schon vor den Kreuzzügen mit dem Altertum in Berührung, noch enger als später, und die wenigen orientalischen Muster brauchen durchaus nicht von den Kreuzfahrern mitgebracht zu sein. England übt auf die Münzbilder Europas bis nach Böhmen hinein einen gewaltigen Einfluss, dennoch wissen wir nichts von einer beherrschenden englischen Kunst. Es ist das Handelsinteresse, das diese Übernahme erklärt und doch ist der Handel mit England zur Zeit der ersten Nachahmungen wenigstens in Böhmen unbedeutend gewesen. Später aber waren die Importeure, die Kölner, Niederländer und Hansen, die wirtschaftlich stärkeren und wir sehen die ärmeren Münzherren die Gepräge der großen nachahmen. Doch warum finden wir keinen Einfluss jener Kaufmannsstädte auf die Prägung des Ostens, auf Schlesien, Polen, Russland oder Länder, mit denen sie doch einen besonders lebhaften Handel unterhielten und die ihnen in der Kunst gewiss nicht ebenbürtig waren?

Die Münze während des Ende des Mittelalters!

Mit der allgemeinen Einführung der Weltmünzen verliert das Geld des Mittelalters schon insofern rasch an kunstgeschichtlicher Bedeutung, als es zweckentsprechender, also nüchterner ausgestattet wird. Doch ist anzuerkennen, dass dafür die Sorgfalt in der Ausführung, die Zierlichkeit in den Einzelheiten sich allgemein durchsetzt und Fratzen nicht mehr vorkommen. Frankreich (s. Abb. 56) und Italien entfalten jetzt in zahlreichen Goldmünzen ihre künstlerische Veranlagung zu voller Blüte, ihre Gepräge gehören zu den schönsten des Mittelalters. Ein „Salut" Karls I. von Neapel aus dem Jahre 1271, zu dem Francesco Formica den Stempel geschnitten hat, gibt den englischen Gruß in anmutigster, an die schönsten Miniaturen erinnernder Darstellung (s. Abb. 66). Ein um 1470 in Bordeaux geprägter „Fort", dessen Name gleich dem des Salut zum Gepräge in Beziehung steht, zeigt noch einmal den starken Simson, wie er den Löwen zerreißt und zwar nach dem Kunstgebrauch in zeitgenössischer Tracht als geharnischten Ritter. Auch die lothringischen Münzen sind von hervorragender Reinheit und zierlichster Prägung, während Deutschland sich durch ein paar Heiligenbilder, zum Beispiel die Madonna und Karl den Großen in Aachen, den heiligen Reinhold in Dortmund und St. Paulus in Münster, auszeichnet. Ist auch die Individualisierung der Gesichtszüge nur wenig fortgeschritten, so machen die Bilder als Ganzes in ihrer ernsten Haltung einen durchaus künstlerischen Eindruck und stellen sich würdig neben die guten Holzschnitzereien ihrer Zeit. Von besonderer Schönheit ist ein Engel-Groschen des Brandenburger Kurfürsten Joachim I. mit dem Bilde des heiligen Paulus. Hier glaubt man fast eine Zeichnung von Lukas Cranach vor sich zu sehen. An die Kunst der Holzschnitzer erinnern auch die Wappen-Darstellungen, in denen geradezu Vorzügliches geleistet wird. Vielleicht sind insbesondere Helme mit ihren Decken und Kleinoden niemals wieder so korrekt und stilgetreu, dabei so anmutig gezeichnet worden, wie um die Wende des Mittelalters, sind doch die gotischen Formen für Darstellungen dieser Art ganz besonders geeignet.

Die Münzentwicklung im 16. Jahrhundert!

Der mit dem 16. Jahrhundert eintretende stärkere Betrieb der Münzstätten, ihre verbesserte Technik, die Ausgabe so vieler neuer Geldsorten, der weitere Raum, den insbesondere der Taler dem Grabstichel bot, endlich der gewaltige Fortschritt dieser Zeit auf zahllosen Gebieten der Erkenntnis sollten eigentlich einen erheblichen Aufschwung auch im künstlerischen Charakter der Münze erwarten lassen. Aber Kunst und Kultur gehen, wie hier schon öfter gesehen, nicht immer notwendigerweise Hand in Hand dieselben Wege. Die zunehmende Vereinfachung des Gepräges trägt einen wesentlichen Teil der Schuld. Beginnt auch jetzt die Zahl der Gedächtnismünzen erheblich zu wachsen, von denen im nächsten Abschnitt ausführlich gehandelt werden wird, so sind diese Münzen doch immer Ausnahmen, dem gewöhnlichen Geld bleiben die Grazien meist hartnäckig fern. Im allgemeinen begnügte sich, wer aus besonderem Anlass etwas recht Ansehnliches herstellen wollte, mit Äußerlichkeiten, die den Metall-, nicht den Kunstwert steigerten. Er gab dem Stück ein ungewöhnlich hohes Gewicht, manchmal auch die bisher zu Münzen nur ganz ausnahmsweise verwandte Form einer vier-, sechs-, achteckigen oder gar ovalen „Klippe" oder er ließ den Stempel einer Silbermünze in Gold abschlagen. Allenfalls tat es jetzt, wo das Lesen mehr und mehr Allgemeingut wurde, ein „nachdenklicher" Spruch, dem, wenn es hoch kam, einige Absonderlichkeiten, z.B. der Name Gottes in hebräischen Lettern, die rebusartige Verwertung eines Herzens für den Herzogstitel und dergleichen eingefügt wurde oder auch eine fremdsprachliche Devise. Die Kunst brauchte sich nicht mehr anzustrengen, die Münzprägung wurde mehr und mehr zum Handwerk, das sich in den ausgefahrenen Gleisen des Zeitgeschmackes hielt. Natürlich hat es immer wieder und allerorten auch schöne und zierliche Geldstücke gegeben, haben doch nicht nur viele Meister der Plastik für die Münzen gearbeitet, sondern es hat auch die Stempelschneidekunst selbst Männer hervorgebracht, denen der Ehrenname des Künstlers nicht versagt werden darf. So haben Benvenuto Cellini und Caradosso für den Papst und die Mailänder Sforzas, Dürer für Friedrich den Weisen (s. Abb. 35), Antonio Abbondio für Rudolf II., M. A. de Gennaro für Kaiser Karl VI., Allier und Denon für Napoleon I., J. Fr. Brandt für Preußen, Wyon für England sich um die künstlerische Ausgestaltung der Kurantmünze bemüht. Alle diese Bestrebungen aber haben besten Falls immer nur vorübergehenden Erfolg erzielt: die „abgehackten" Herrscherköpfe, die zu leblosen Schemen erstarrten Wappenbilder vermag kein noch so großer Künstler zu beleben, und selbständige neue Prägebilder, die zugleich die Forderungen der Staatshoheit, des Verkehrs und des Geschmackes erfüllen, sind bis heute noch nicht erfunden worden. Einen Beweis für diese unerfreuliche Auffassung bietet die so viel bewunderte Reihe der neuen französischen Münzen, die von dem großen Namen eines Roty getragen wird. Gewiss sind die einzelnen Bilder, welche die verschiedenen Gepräge zeigen, meisterhaft gezeichnet und modelliert und wir wollen mit dem Künstler nicht allzu streng sein, dass er die „Sé meuse" gegen den Wind säen lässt. Aber das Ganze macht nicht den Eindruck eines Geldstücks, der staatliche Charakter kommt nicht gut zum Ausdruck, dazu ist das Relief zu niedrig und die feinen Züge verwischen sich schnell, so dass schließlich weder der Verkehr, noch die Kunst, noch der Staat auf ihre Rechnung kommen.

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