Natürlich fehlte es auch hier nicht an Versuchen der Abhilfe. Die Oberlehnsherren und Kaiser schritten ein, wenn sie die Macht besaßen, das Erforderliche auch durchzusetzen. So hat König Ludwig IX. von Frankreich zur Unterstützung seiner Münzreform, seinen Baronen das Münzen für einige Jahre generell untersagt und seine Nachfolger haben es verstanden, ihnen dieses Recht allmählich ganz abzunehmen, z. T. durch ein Kaufgeschäft. Kasimir von Polen (1333-1370) stellte das stolze Programm auf: „Wie nur ein Fürst und ein Recht, so soll auch eine Münze im ganzen Reich sein, ständig und gut im Wert" und es gelang ihm wenigstens die Durchführung der Münzeinheit. Matthias Corvinus von Ungarn und die Kaiser Ferdinand I. und II. haben die Prägestätten, insbesondere ihrer schlesischen Vasallen, zeitweise geschlossen und die deutschen Reichsmünzordnungen haben sich seit 1524 unablässig bemüht, eine allgemeine Reichswährung durchzusetzen und die kleinen Raubmünzen („Heckenmünzen") abzutun. Auch die Kirche blieb nicht zurück. Der Papst ist als Oberlehnsherr gegen seine Vasallen nicht weniger streng eingeschritten wie die Kaiser und Könige und wir werden im nächsten Abschnitt sehen, wie auch die Theorie des kirchlichen Rechtes der schädlichen Ausnutzung des Münzregals vorzubeugen versuchte.
Endlich (und das ist die Maßregel gewesen, die wenigstens zeitweise bessere Zustände herbeigeführt hat) nahmen sich die Städte der Sache an, die als die Vertreter des Handels ein hauptsächliches Interesse an der Gesundheit der Münz- und Geldverhältnisse hatten. Im Besitze der finanziellen Macht wussten sie ihre Fürsten teils zur gänzlichen Einstellung des Münzens zu bewegen, teils eine längere Umlaufszeit der Pfennige zu erzwingen, teils die Ausgabe neuer Münzen von der Einbeziehung etlicher Bürger mit Sachverstand abhängig zu machen. So verspricht 1277 Herzog Rudolf den Steiermärkern, die Münze, die bis dahin alle Jahre „avaritia exposcente“ erneuert wurde, ohne den Rat seiner Untertanen nicht mehr zu verändern. Die Bürger von Augsburg und Freiburg insbesondere setzen wenig später eine Umlaufszeit von 4 Jahren an, die von Liegnitz 1335 eine solche von 2 Jahren, manchmal unter Bewilligung einer Abgabe, „Münzgeld" geheißen, die dem Fürsten den Gewinn aus der häufigen Verschlagung ersetzen sollte. Allmählich gelangten so alle bedeutenderen Städte in Deutschland und die großen Stadtrepubliken Italiens in den Besitz des Münzrechts, während in Frankreich und England der Einfluss der Gemeinden sich auf ein gewisses Aufsichts- und Mitbestimmungsrecht beschränkt. Als erste deutsche Stadt erwarb Lübeck das eigene Prägerecht im Jahre 1226. Es ist ein gutes Zeugnis für den Ordnungssinn, der lange Zeit hindurch und auf weite Strecken fast nur in den Städten daheim war, wenn wir sehen, wie die Bürger ihre Münze fast durchweg verständig bestellen und Jahrzehnte lang mit demselben Korn und unter dem gleichen Zeichen prägen. Ihre Maßregeln wurden um so wirksamer, je mehr Städte sich zu einer gemeinsamen Münzung nach denselben Grundsätzen, manchmal auch unter einem einheitlichen Prägebild oder Beizeichen verbanden. Solche Münzvereinigungen, an denen sich manchmal auch die benachbarten Fürsten beteiligten, haben zuerst im Jahre 1240 die Bodenseestädte Lindau, Konstanz, Überlingen, Radolfzell und Ravensburg mit dem Abt von St. Gallen, 1255 Lübeck und Hamburg, 1286 Salzburg und Kärnten erschlossen. In Regensburg werden sie ein dauerhaftes Verhältnis zwischen Bischof und Herzog, so wie in Franken unter den Hansen denen sich auch einmal die Königin von Dänemark anschließt, am Rhein, in Schlesien usw. Alle diese auf den letzten Seiten besprochenen Einrichtungen und Geschehnisse kommen auch in Gepräge und Aufschrift der Münzen zum Ausdruck, natürlich nicht immer mit der für uns nachfolgende Generation wünschenswerten Deutlichkeit. Denn nur der Münzer des Mittelalters war in Deutschland so gut wie keinem Zwang in Bezug auf die Wahl der Münzbilder unterworfen. Wir kennen zwar eine Anzahl Urkunden, in denen bei Verleihung des Münzrechts auch das Gepräge der zu schlagenden Geldstücke festgesetzt wird, wie z. B. das Aachener Privileg von 1166, in dem ausdrücklich gesagt wird, dass die Pfennige Bild und Aufschrift des heiligen Karl und des regierenden Kaisers tragen sollen. An anderen Stellen ist sehr viel allgemeiner von „debito nostri nominis charactere" (Breslau 1327) oder von „expressione sue ymaginis" (Köln 1282) die Rede.
Dem Bischof von Speyer wird 1196 das Recht zuerkannt, seinen Münzen „ein neues Gepräge nach eigenem Gutdünken" zu geben und das Magdeburger Domkapitel sichert sich 1260 die Befugnis, in Gemeinschaft mit dem Erzbischof die Münzeisen („forme, secundum quas novi denarii cudi possunt") zu bestimmen. Aber wie verschwindend klein ist die Anzahl solcher Briefe gegenüber der ungeheuren Menge der Münzen! Und selbst die vorhandenen Anweisungen sind nicht einmal alle regelmäßig befolgt worden. So hat z.B. Herzog Johann I. von Sagan die ihm von Kaiser Sigismund als besondere Belohnung zuteil gewordene Gnade, den böhmischen Löwen auf seine Münzen setzen zu dürfen, unbeachtet gelassen. Wir hatten schon Gelegenheit zu sehen, wie wenig auch in größeren Dingen das Mittelalter sich an Münzgesetze hielt. Mit dem Gepräge der Münzen, das schließlich doch nur wenige zu beurteilen vermochten, noch viel wenigere hätten bessern können, wird es nicht anders gewesen sein. Gewiss wird ein Münzherr, der sich auf solche Dinge verstand oder sich dafür interessierte, auch den Prägebildern seiner Pfennige eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt haben und die Darstellungen der später ausführlich zu besprechenden Tendenz- und Gedächtnismünzen sind, wenigstens zum Teil, sicher auf persönliche Einwirkung des Fürsten zurückzuführen. Aber das sind doch immer nur Ausnahmen gewesen, wie z. B. die Münzen des Bischofs Bernward von Hildesheim (-1- 1022), der einer der künstlerisch interessierteren Fürsten seiner Zeit und sogar selbst ausübender Künstler war, sich durchaus nicht vor ihresgleichen durch Schönheit auszeichnen. Im Großen und Ganzen hat man also den Münzern und Eisenschneidern bei der Wahl des Gepräges und der Aufschrift freie Hand gelassen. Die natürliche Vernunft und die nächstliegende Erwägung wird auch sie veranlasst haben, das Hoheitsrecht ihres Herren und die Heimat ihres Pfennigs auszudrücken. Daher ist das Bildnis des Herrschers, ganz abgesehen von der Überlieferung der Antike, gleich dem selbst gegebenen Münzbild des Mittelalters. Während jedoch diese Darstellung in den mit der Antike in engerem Zusammenhang stehenden Reichen der Völkerwanderungszeit, bei den byzantinischen Kaisern sogar bis ans Ende ihres Reiches (1453), die Regel bildet und selbst bei den Merowingern verhältnismäßig häufig vorkommt, verschwindet sie unter den Karolingern fast gänzlich, um von nun an in Italien und Frankreich eine Ausnahme zu bilden, während sie überall sonst Norm bleibt oder seit Mitte des 10. Jahrhunderts wieder zur Norm wird.
In der Darstellung und Ausstattung des Fürstenbildes entwickelt Deutschland eine geradezu ungeheure Mannigfaltigkeit. Schon bald nach dem Jahr 1000 finden wir nicht nur den Kaiser (s. Abb. 54), sondern auch Herzöge, Grafen und Vögte in Kopf- und Brustbild, sitzend und stehend in ganzer Figur, sogar zu Pferde, mit allen denkbaren Attributen der Würde, den verschiedensten Kronen und Diademen, Zeptern, Reichsäpfeln, Fahnen, Schwertern, Lanzen, Schilden, ebenso Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen mit Stab und Buch, Kreuz und Kelch, die rechte Hand zum Segnen erhoben.
Die folgenden Jahrhunderte steigern diese Mannigfaltigkeit noch erheblich: Wir sehen den Fürsten mit geschwungenem Schwert oder gesenkter Lanze zum Angriff reiten, einen Feind niederhauen, einen Löwen oder sonstiges Untier bekämpfen, letzteres eine Darstellung, die besonders in den slawischen Reichen Böhmen und Polen beliebt gewesen zu sein scheint. Als Richter erscheint der Fürst in den Bildern, auf denen er ein Schwert quer vor sich trägt, nach der berühmten Anweisung des Soester Rechtsbuches, dass der Richter sitzen soll wie ein griesgrämiger Löwe, ein Bein über das andere gelegt, ein Schwert über seinen Knien. Auch ein in Bayern und Polen findet man ein nachweisbares höchst eigentümliches Bild: Der Herrscher deutet mit dem Finger auf sein eigenes Auge. Dies hat den gleichen Sinn, denn es bedeutet in Anschluss an Ps. 49.3 „Bitte um Erleuchtung des Richters.“ Auf das edle Weidwerk, die noble Passion der Herrscher aller Zeiten, deuten Pfeil und Bogen, Armbrüste und Signalhorn in den Händen des Herrn, gewiss auch die nicht immer heraldisch zu deutenden Hirschgeweihe. Der Falke erscheint auf der Faust des Reiters, wie auch auf der des sitzenden und stehenden Fürsten. Da nach der Jagd ein guter Trunk nicht fehlen durfte, sehen wir den Brandenburger Markgrafen oft zwei mächtige Trinkhörner oder auch Pokale und Krüge den Händen haltend. Dies ist eine Vereinfachung des künstlerischen Gedankens, der in dem vielbesprochenen Relief im Jagdschloss Grunewald den Kurfürsten Joachim mit seinen Baumeistern Kaspar Theiß und Kunz Bundschuh in einer lustigen Runde abbildete.
Neben den Fürsten wird in allen Reichen des Mittelalters sehr oft auch seine Gemahlin dargestellt oder zumindest genannt. Letzteres kommt bis spät ins Mittelalter hinein und noch darüber hinaus vor, z. B. bei König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn († 1526); der Blaubart im Purpur, Heinrich VIII. von England († 1547), gönnte diese Ehre sogar drei seiner acht Frauen. Als Witwe, Vormund und Regentin tritt die Fürstin auch allein auf. Für gewöhnlich trägt sie auf dem Haupt ebenfalls eine Krone, manchmal auch das sogenannte „Gebände“, die Kopfbedeckung der Frauen des Mittelalters, die an eine Haube erinnert. Selten trägt sie sogar einen Hut mit breiter Krempe. Schmuck sieht man an ihr kaum, was wahrscheinlich daran liegt, das Schmuck nur sehr schwer darzustellen ist. Allerdings sieht man sie manchmal mit einer Mantelspange abgebildet. Neben ihrem Ehemann dargestellt, berührt die Frau das von ihm gehaltene Zepter oder seine Fahne mit der einen Hand (s. Abb. 14), in der anderen führt sie eine Blume (s. Abb. 60), ein Tüchlein oder ein eigenes kurzes Zepter. Auch der Falke wurde nicht vergessen, denn die sogenannte „Reiherbeize“ war ein Sport, an dem sich edle Frauen mit Vorliebe beteiligten. Dagegen haben die Münzen von der an den Höfen so eifrig betriebenen Pflege der Dichtkunst keine Spuren mehr aufbewahren können.
Auch die Rückseite der Münze ist ebenso interessant, wie die Front
Die Rückseite der Münze ist für zahlreiche Sinnbilder der Hoheit bestimmt: Die Fahne, den Handschuh, die Turnierkrone und sonstige Zeichen, die oft auch noch die Aufgabe haben, die Heimat des Geldstücks anzudeuten. Denn wie wir schon bei den Griechen unsern Wappen entsprechende Bilder nachweisen konnten, finden sich solche natürlich auch bereits seit dem frühesten Mittelalter. Auch hier finden sich viele Überreste von Totemismus und uraltem Heidentum, wie z. B. die fränkische Axt (Frankiska), die nordische Spirale und Schlange, das sogenannte Hakenkreuz, das uralte Sonnensymbol aus der Morgenzeit der Arier und das Pfeilhohenkreuz , das zuerst auf böhmischen Münzen des 10. Jahrhunderts auftrat und in etwas abweichender Gestalt im 12. Jahrhundert wiederkehrt (s. Abb. 12). Auch das Schiff von Dürstede dürfte wahrscheinlich hierher gehören: In den Niederlanden ist der Dienst der von Tacitus „Isis" genannten Göttin daheim, deren heiliges Schiff sich durch die Jahrhunderte erhalten hat und noch heute im „Carneval" (carrus navalis) fortlebt. Die Abzeichen der Heiligen werden genauso wie damals die Attribute der griechischen Götter zu Wappenbildern, worüber im dritten Abschnitt noch etwas mehr zu sagen sein wird.
Die häufigsten Symbole fürstlicher Macht und Hoheit sind der König der Vögel und der der Vierfüßler, die vielleicht von der Viergestalt der babylonischen Cherubim ab zu leiten sind und zumindest schon in Davids Bogenlied (2. Sam. 1, 19 ff.) gemeinsam auftreten, wo es von Saul und Jonathan heißt: „Schneller waren sie als die Adler und stärker als die Löwen". Sie finden sich auf zahllosen Münzen der verschiedensten Gegenden wieder und sind deshalb nicht immer als individuelle Wappenbilder zu deuten. Die Braunschweiger Welfen nehmen den Löwen unter Verschmähung des weißen Rosses, des uralten Stammesabzeichens ihres Volkes, für sich an und Heinrich „der Löwe" sichert ihn sich noch besonders, indem er ihn nicht nur auf fast allen seinen Münzen anbringt, sondern auch das Wort Leo in die Titulatur einrückt (s. Abb. 15). Der Adler der Kaiser ist ein römisches Erbe, ihren Doppeladler werden wir demnächst als die Entlehnung eines Gebildes des Orients näher kennen lernen. Fast noch größere Anhänglichkeit als der Braunschweiger seinem Löwen, erweisen der Brandenburger Markgraf und einige schlesische Herzöge ihrem Adler, indem sie seine Flügel ihrem eigenen Leibe ansetzen lassen (s. Abb.13) oder wie der heilige Markus sein Menschenhaupt auf dem Rumpf seines Löwen trägt. Später setzt man dem Wappentier öfters den landesherrlichen Helm auf ( in Flandern) oder hängt ihm einen flatternden Wappenbanner um, ein Brauch, der in Frankreich häufig vorkam aber auch in England, den Niederlanden und in Westfalen nachweislich ist. Sehr lehrreich ist die Beobachtung, wie das neuere Wappen-Wesen auf den Münzen und durch die Münzen eingeleitet und fortgebildet wird. So finden sich seit dem 11. Jahrhundert auf den Schildern die Beschläge und Bänder vorerst nur angedeutet und bald sogar sorgfältig ausgeführt, die, ursprünglich zur Festigung der Schutzwaffe bestimmten, später als heraldische Abzeichen angesehenen und festgehaltenen Symbole, z. B. die Streifen der Wettiner und Askanier (s. Abb. 14), die Lilienstängel der Herzöge von Kleve, die kugeligen Stäbe von Bern. Statt des ganzen Tieres erscheint ein Teil: Ein Geweih statt des Hirsches, der Stierkopf statt des ganzen Stieres. Auch das Umgekehrte findet statt und die Vorliebe des Münzers für symmetrische Darstellungen vervielfacht gern den Gegenstand, setzt z.B. drei Fische ins Kleeblatt, wo einer genügte oder bildet ein Kreuz aus vier Röschen. Ursprünglich nebensächliche Zutaten, wie ein Stern, eine Ranke, ein Blatt, sogar die bloße Bearbeitung des Feldes werden allmählich zu einem wesentlichen Bestandteil und das Wappen tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Wenn man dann noch beobachtet, wie dieselbe Figur desselben Wappens mal nach rechts und mal nach links gedreht dargestellt wird, hat man den wohltuenden Eindruck einer im Fluss befindlichen Entwicklung, einer glücklichen Unbefangenheit, weitab von dem starren und strengen Wesen der späten Heraldik, die so vielen Unwissenden als der prägnanteste Ausdruck des „verknöcherten Mittelalters" erscheint.
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